Webwecker Bielefeld: Bomben auf Mullaittivu (21.06.2006)

Bomben auf Mullaittivu (21.06.2006)






Eine zerstörte Kirche im Distrikt Mullaittivu nach der Flut Weihnachten 2004





Der Wiederaufbau in Mullaittivu im Nord-Osten nach der Riesenflut Ende 2004 war von Anfang an ein schwieriges Geschäft. Eine weitere Eskalation des Konflikts zwischen Regierung und den Tamile Tigers könnte die Bielefelder Projekte stoppen


Von Manfred Horn

Als sich vor eineinhalb Jahren, kurz nach der Riesenflut, die Stadt Bielefeld entschloss, mit einer Spendenkampagne die Menschen in der Region Mullaittivu in Sri Lanka zu unterstützen, war ihr klar, dass dies politische Risiken birgt. Diese scheinen sich nun zu bestätigen. In der vergangenen Woche bombardierte die Luftwaffe Sri Lankas die Stadt Mullaittivu. Dort herrscht mit den Tamile Tigers (LTTE) eine Organisation, die auf die Ablösung des tamilischen Nordens von Sri Lanka hinarbeitet.

Die Regierung, die von der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit der Insel dominiert wird, und die Tamile Tigers liefern sich seit über 20 Jahren ein Krieg unterschiedlicher Intensität. 2002 unterzeichneten beide Parteien zwar einen Waffenstillstand. Doch richtig ruhig wurde es im Nord-Osten der Insel, die hauptsächlich von Tamilen bewohnt wird, nie. Denn die politischen Fragen, die hinter dem Konflikt stehen, konnten bis heute nicht geklärt werden. Im Gegenteil, seit Jahresbeginn hat sich der Konflikt wieder verschärft. Mehr als 700 Menschen wurden seitdem getötet.

In der vergangenen Woche explodierte eine Bombe in einem Bus, bei dem 66 Menschen getötet wurden. LTTE und Regierung machen sich gegenseitig für den Anschlag verantwortlich. Unmittelbar nach dem Attentat flog die srilankische Luftwaffe ihre Angriffe, unter anderem auf Mullaittivu. Mullattivu gilt als Zentrum der LTTE, dort vermutet die Regierung angeblich auch den Führer der LTTE. Berichte von vor Ort liegen noch nicht vor, die das Ausmaß der Zerstörung beschreiben könnten. Jedoch meldeten verschiedene Beobachter, dass die Kämpfe im Nordosten des Landes sich auch am Wochenende fortsetzten.


Noch bleibt die Reißleine ungezogen

»Wir werden die Lage weiter beobachten«, erklärt Volker Fliege, der im Büro des Oberbürgermeisters die Bielefelder Hilfe für Mullaittivu koordiniert. »Wir ziehen keine Reißleine«, ergänzt er. Dies ist allerdings eine Momentaufnahme. Was passiert, wenn der Konflikt zu einem offenen Bürgerkrieg mutiert, kann er auch nicht beantworten. Den der Krieg bedroht auch die Wiederaufbauprojekte, die zwischen Bielefeld und Mullaittivu vereinbart wurden. Eigentlich hatte man darauf gehofft, dass die große Flutkatastrophe auch die Menschen in Sri Lanka enger zusammenrücken lässt, egal, welcher Ethnie sie angehören. Doch dies hat sich, wie so oft in der Geschichte, nicht bewahrheitet. Seit der Katastrophe hat die Regierung in der Hauptstadt Colombo gewechselt. Die neue Regierung schlägt wieder schärfere Töne im Konflikt an, und lässt auch blutige Taten folgen. Die LTTE ihrerseits stellt sich gerne als Opfer dar, hat die Eskalation aber kräftig angeheizt. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Sicher ist nur, dass die LTTE auch militärisch wieder aktiv ist.

Auf dem Bielefelder Spendenkonto befinden sich derzeit 433.000 Euro. Geld, dass verplant, aber bisher erst zu einem geringen Teil verbaut ist. In dem Küstendorf Silavatai nahe der Stadt Mullaittivu entstehen zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe Wohnhäuser, aber auch ein Kühlhaus für die Fischer und eine Fischauktionshalle. Auch ein Ankerplatz und ein Gemeindehaus werden errichtet. Hier haben die Bauarbeiten zumindest begonnen.

Schwierig hingegen gestaltet sich der Bau einer Schule in Mullaittvu. In Kooperation mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) soll ein Neubau eine Schule, die von der Flut zerstört wurde, ersetzen. 150.000 Euro will die Stadt Bielefeld aus dem Spendenaufkommen dafür zur Verfügung stellen. »Wir finden in dem Gebiet keine geeignete Baufirma«, erklärt Volker Fliege. Die lokalen Unternehmen können einen solchen Großauftrag nicht abwickeln, es fehlen unter anderem die nötigen Maschinen. Die GTZ sucht nun auch außerhalb der Region und hat auch schon bei Bauunternehmen in der Hauptstadt Colombo angefragt. Doch zur Zeit wird keine Baufirma aus der Hauptstadt in Mullaittivu einen Auftrag annehmen. Sie muss als vermeintlich singhalesisches Unternehmen mit Anschlägen auf Maschinen und Mitarbeiter rechnen.

Auch ein weiteres Projekt ist noch in der Planungsphase: Rund 60.000 Euro der Spenden stehen zur Zeit für den Bau eines Berufsbildungszentrums bereit. Dort könnten dann unter anderem Maurer, Klempner und Elektriker ausgebildet werden – Fachpersonal, das auch für den Wiederaufbau dringend benötigt wird. Das Projekt wird vom Welthaus Bielefeld betreut. In den nächsten Wochen will man der Öffentlichkeit vorstellen, wie die Idee umgesetzt werden kann.