Eine zerstörte Kirche im Distrikt Mullaittivu nach der Flut Weihnachten 2004
Der Wiederaufbau in Mullaittivu im Nord-Osten nach der
Riesenflut Ende 2004 war von Anfang an ein schwieriges Geschäft. Eine
weitere Eskalation des Konflikts zwischen Regierung und den Tamile
Tigers könnte die Bielefelder Projekte stoppen
Von Manfred Horn
Als sich vor eineinhalb Jahren, kurz nach der Riesenflut, die Stadt
Bielefeld entschloss, mit einer Spendenkampagne die Menschen in der
Region Mullaittivu in Sri Lanka zu unterstützen, war ihr klar, dass
dies politische Risiken birgt. Diese scheinen sich nun zu bestätigen.
In der vergangenen Woche bombardierte die Luftwaffe Sri Lankas die
Stadt Mullaittivu. Dort herrscht mit den Tamile Tigers (LTTE) eine
Organisation, die auf die Ablösung des tamilischen Nordens von Sri
Lanka hinarbeitet.
Die Regierung, die von der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit der
Insel dominiert wird, und die Tamile Tigers liefern sich seit über 20
Jahren ein Krieg unterschiedlicher Intensität. 2002 unterzeichneten
beide Parteien zwar einen Waffenstillstand. Doch richtig ruhig wurde es
im Nord-Osten der Insel, die hauptsächlich von Tamilen bewohnt wird,
nie. Denn die politischen Fragen, die hinter dem Konflikt stehen,
konnten bis heute nicht geklärt werden. Im Gegenteil, seit Jahresbeginn
hat sich der Konflikt wieder verschärft. Mehr als 700 Menschen wurden
seitdem getötet.
In der vergangenen Woche explodierte eine Bombe in einem Bus, bei
dem 66 Menschen getötet wurden. LTTE und Regierung machen sich
gegenseitig für den Anschlag verantwortlich. Unmittelbar nach dem
Attentat flog die srilankische Luftwaffe ihre Angriffe, unter anderem
auf Mullaittivu. Mullattivu gilt als Zentrum der LTTE, dort vermutet
die Regierung angeblich auch den Führer der LTTE. Berichte von vor Ort
liegen noch nicht vor, die das Ausmaß der Zerstörung beschreiben
könnten. Jedoch meldeten verschiedene Beobachter, dass die Kämpfe im
Nordosten des Landes sich auch am Wochenende fortsetzten.
Noch bleibt die Reißleine ungezogen
»Wir werden die Lage weiter beobachten«, erklärt Volker Fliege, der
im Büro des Oberbürgermeisters die Bielefelder Hilfe für Mullaittivu
koordiniert. »Wir ziehen keine Reißleine«, ergänzt er. Dies ist
allerdings eine Momentaufnahme. Was passiert, wenn der Konflikt zu
einem offenen Bürgerkrieg mutiert, kann er auch nicht beantworten. Den
der Krieg bedroht auch die Wiederaufbauprojekte, die zwischen Bielefeld
und Mullaittivu vereinbart wurden. Eigentlich hatte man darauf gehofft,
dass die große Flutkatastrophe auch die Menschen in Sri Lanka enger
zusammenrücken lässt, egal, welcher Ethnie sie angehören. Doch dies hat
sich, wie so oft in der Geschichte, nicht bewahrheitet. Seit der
Katastrophe hat die Regierung in der Hauptstadt Colombo gewechselt. Die
neue Regierung schlägt wieder schärfere Töne im Konflikt an, und lässt
auch blutige Taten folgen. Die LTTE ihrerseits stellt sich gerne als
Opfer dar, hat die Eskalation aber kräftig angeheizt. Die Gründe dafür
sind nicht bekannt. Sicher ist nur, dass die LTTE auch militärisch
wieder aktiv ist.
Auf dem Bielefelder Spendenkonto befinden sich derzeit 433.000
Euro. Geld, dass verplant, aber bisher erst zu einem geringen Teil
verbaut ist. In dem Küstendorf Silavatai nahe der Stadt Mullaittivu
entstehen zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe
Wohnhäuser, aber auch ein Kühlhaus für die Fischer und eine
Fischauktionshalle. Auch ein Ankerplatz und ein Gemeindehaus werden
errichtet. Hier haben die Bauarbeiten zumindest begonnen.
Schwierig hingegen gestaltet sich der Bau einer Schule in Mullaittvu.
In Kooperation mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ)
soll ein Neubau eine Schule, die von der Flut zerstört wurde, ersetzen.
150.000 Euro will die Stadt Bielefeld aus dem Spendenaufkommen dafür
zur Verfügung stellen. »Wir finden in dem Gebiet keine geeignete
Baufirma«, erklärt Volker Fliege. Die lokalen Unternehmen können einen
solchen Großauftrag nicht abwickeln, es fehlen unter anderem die
nötigen Maschinen. Die GTZ sucht nun auch außerhalb der Region und hat
auch schon bei Bauunternehmen in der Hauptstadt Colombo angefragt. Doch
zur Zeit wird keine Baufirma aus der Hauptstadt in Mullaittivu einen
Auftrag annehmen. Sie muss als vermeintlich singhalesisches Unternehmen
mit Anschlägen auf Maschinen und Mitarbeiter rechnen.
Auch ein weiteres Projekt ist noch in der Planungsphase: Rund
60.000 Euro der Spenden stehen zur Zeit für den Bau eines
Berufsbildungszentrums bereit. Dort könnten dann unter anderem Maurer,
Klempner und Elektriker ausgebildet werden Fachpersonal, das auch für
den Wiederaufbau dringend benötigt wird. Das Projekt wird vom Welthaus
Bielefeld betreut. In den nächsten Wochen will man der Öffentlichkeit
vorstellen, wie die Idee umgesetzt werden kann.