Offener Brief des DGB AK "Zwangsarbeit in Bielefeld" vom 9. März 2001 an die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, an die Bundestagsfraktionen und den Bundeskanzler (Auszüge)
Sehr geehrter Herr Gibowski,
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Wir wenden uns an Sie, weil wir kein Verständnis dafür haben, daß sich der Beginn der Auszahlungen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" an die ehemaligen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen immer weiter verzögert.
Zur Zeit der Verabschiedung der gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen für die Stiftung im Sommer vergangenen Jahres hieß es, daß die ersten Auszahlungen von Entschädigungen voraussichtlich zu Jahresbeginn 2001 erfolgen könnten. Angesichts der Situation der Betroffenen war das bereits ein schwer zu rechtfertigender Aufschub. Inzwischen werden immer neue noch später liegende Zeitpunkte genannt....[Nachtrag: mittlerweile ist bereits vom kommenden Jahr die Rede]
Aus Weissrussland haben wir die Information, daß dort während der letzten zwei Jahre von etwa 150 000 ehemaligen Zwangsarbeitern 20 000 verstorben sind. Offensichtlich bedeutet also jeder Monat Verzögerung bei der Auszahlung, daß viele Tausende ehemaliger Zwangsarbeiter von den Entschädigungen nicht mehr erreicht werden. Und für diejenigen, die die Entschädigung noch erreichen wird, bedeutet die fortwährende Zurückstellung ihrer Interessen hinter das Interesse der deutschen Wirtschaft an noch mehr Rechtssicherheit eine weitere Verletzung. Denn die Entschädigungen haben ja auch insofern eine große Bedeutung, als sie für die Betroffenen ein Zeichen offizieller Anerkennung des ihnen angetanen Unrechts durch den deutschen Staat und die deutsche Wirtschaft sind. Dieses Zeichen wird aber auf diese Weise völlig entwertet.
Als Begründung für die Verzögerung wird immer auf noch anhängige Klagen in den USA verwiesen, die erst rechtskräftig abgewiesen sein müssten, ehe ein für die deutsche Wirtschaft befriedigender Zustand der Rechtssicherheit eingetreten sei. Erst dann könne die Auszahlung der Entschädigungen - nach einer entsprechenden Feststellung des Bundestages - beginnen.
Die Tatsache, daß die Entschädigung der Opfer an die Herstellung von Rechtssicherheit für die deutschen Unternehmen geknüpft wurde und daß die Feststellung der Rechtssicherheit von der Abweisung der anhängigen Klagen abhängig gemacht wurde, war von Anfang an fragwürdig, denn das mußte zwangsläufig zu einer erheblichen Verzögerung führen. Die gegenwärtige Entwicklung macht vollends klar, daß der damit eingeschlagene Weg zu Ergeb-nis--sen führt, die nicht akzeptabel sind....
Es ist höchste Zeit, daß die Interessen der Opfer an die erste Stelle gesetzt werden. Wir fordern deshalb, daß unverzüglich mit den Auszahlungen der Stiftung begonnen wird....