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Die, die den Sozialstaat schlecht machen (07.06.2006)
Bildzeitung und Spiegel sind nur zwei verschiedene Seiten einer Medaille: Beide machen den Sozialstaat mies, meint Christoph Butterwegge
Von Manfred Horn
Eigentlich war Christoph Butterwegge ins Haus der Kirche gekommen, um über die Stimmungsmache der Medien gegen den Sozialstaat zu sprechen. Butterwegge, Leiter der Abteilung für Politikwissenschaft an der Universität Köln, ist ein Experte in Sachen Sozialstaat. Und so führte er an diesem Abend, zu dem er vom Sozialpfarramt eingeladen wurde, den rund 60 Zuhörern vor allem auch den Zustand des Sozialsystems vor Augen.
Die Medien damit meint Butterwege unausgesprochen die großen, meinungsbildenden Zeitungen und Zeitschriften macht Butterwegge mitverantwortlich für den Abbau des Sozialstaats. Dies sei ganz aktuell an der veröffentlichten Meinung zu den Plänen der Bundesregierung, Hartz IV umzubauen, deutlich. Der Tenor: Durch Hartz IV würden nicht die Leistungsempfänger, sondern die Steuerzahler arm. Seit der Ära des Bundeskanzlers Helmut Schmidt würde der Sozialstaat nicht mehr als Pionierleistung dargestellt. Etwas, auf das die Bürger der Bundesrepublik bis dahin stolz gewesen wären und das bis auf Bismarck zurückgehe, sei plötzlich nicht mehr vorbildlich gewesen.
Die Medien würden den Sozialstaat seitdem schlecht machen, sagt Butterwegge. Er spricht gar von einem »medialen Dauerfeuer« und hat gleich ein paar passende Titelseiten mitgebracht. Der Spiegel machte bereits 1980 mit der Überschrift »Die fetten Jahre sind vorbei« auf. Seit diesem Zeitpunkt sei dieses Bild massiv in die Köpfe der Menschen transportiert worden, sagt Butterwegge. Der Spiegel legte bis in die Gegenwart fleißig nach: 1996 hieß es dann auf der Titelseite »Das Schlaraffenland ist abgebrannt«, 2003 »Wer arbeitet, ist der Dumme«.
Es war der ehemalige Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement, der kurz vor Ende seiner Amtszeit im Herbst 2005 eine Missbrauchsdebatte lostrat. Sein wüstes Szenario: Hartz IV werde massenhaft missbraucht. »Jedes Recht wird missbraucht«, hält Butterwege entgegen und hat ein Beispiel parat: Niemand würde auf die Idee kommen, die Telefone abzuschaffen, nur weil mit ihnen auch Verbrechen verabredet werden. Zudem sei der Missbrauch »verhältnismäßig gering«. Butterwegge zitiert eine Untersuchung des Senats der Stadt Hamburg. Die ließ beim Kraftfahrzeugbundesamt noch zu Zeiten der alten Sozialhilfe prüfen, wie viele Sozialhilfeempfänger ein Auto angemeldet hatten. Von 180.000 Empfängern seien es ganze 27 gewesen, die gegen das Recht verstießen.
Aussterben der Deutschen »Kaffeesatzleserei«
Die Medien nun stellten den Abbau des Sozialstaats als Sachzwang dar, sagt Butterwegge. Der demographische Wandel macht radikale Einschnitte notwendig, argumentierten die Medien. Herwig Birg, der bis 2004 einen Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bielefeld inne hatte, sei einer der Experten, die die Medien in diesem Zusammenhang gerne anführten. Wenn Birg sage, im Jahr 2300 gebe es so gut wie keine Deutschen mehr, sei dies aber anzweifelbar. Niemand könne 50 Jahre vorausschauen, meint Butterwege und nimmt das 20. Jahrhundert mit seinen zwei Weltkriegen als Beleg. »Was da gemacht wird, ist Kaffeesatzleserei«.
»Man wundert sich, warum der Sozialstaat noch nicht völlig demontiert ist«, merkt Butterwegge an. Den trotz des eindeutigen Mediendiskurses halte bis heute ein Großteil der Bevölkerung am Gedanken des Sozialstaats fest. Dennoch habe sich das Gerechtigkeitsempfinden bereits merklich verändert. Die Medien trommelten dafür, die im Sozialstaat ursprünglich verankerte Bedarfsgerechtigkeit in eine Leistungsgerechtigkeit umzubiegen. Gerechtigkeit, so würde die Schlussfolgerung lauten, gebe es dann nur für diejenigen, die etwas leisten.
Die, die den Sozialstaat schlecht machen (Teil 2)
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