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»Der DGB ist offener als sein Ruf« (31.05.2006)






Annelie Buntenbach wurde in der vergangenen Woche in den Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die Bielefelderin mit Wohnung im Bielefelder Westen, die auch eine Wohnung in Berlin-Kreuzberg hat und hin und her pendelt, war bis 2002 Bundestagsabgeordnete der Grünen, von 2002 bis zu ihrer Wahl in den DGB-Vorstand leitete sie die Abteilung Sozialpolitik beim Bundesvorstand der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Im WebWecker-Interview äußert sie sich zum Wahlchaos auf dem Bundeskongreß und zu ihren Vorhaben im DGB-Vorstand.



Interview: Manfred Horn

WebWecker: Die Wahl des neuen des DGB-Vorstandes wurde von vielen Medien als Debakel bezeichnet. Die Abwahl Ursula Engelen-Kefers sei würdelos gewesen. Ist der neue DGB-Vorstand durch die Personalentscheidungen geschwächt?

Annelie Buntenbach: Die Delegierten auf dem Bundeskongress haben ihre Entscheidungen demokratisch getroffen. Demokratie geht zwar manchmal etwas komplizierte und verworrene Wege. Aber demokratische Prozesse schwächen Organisationen nicht sondern machen sie stärker. Der neue Bundesvorstand hat eine breite Unterstützung. Damit haben wir gute Chancen für einen guten Start in die Arbeit der nächsten Jahre. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass bei dem Kongress die inhaltlichen Botschaften deutlicher rübergekommen wären.


Aber es gab ja schon einiges Chaos. Der Vorsitzende Michael Sommer hat seine Grundsatzrede um einen Tag verschoben.

Es passiert nicht alle Tage, dass Kampfkandidaturen um den Vize-Vorsitz stattfinden. Ursula Engelen-Kefer hat eine lange Geschichte in den Gewerkschaften und in der Öffentlichkeit. Damit war klar, dass sich die Aufmerksamkeit zunächst auf sie richtet. An dem selben Tag zu versuchen, ein Grundsatzreferat zu einer neuen inhaltlichen Positionierung des DGB zu halten, wäre von der Außenwirkung her – aber auch von der Stimmung, die auf dem Kongress vorherrschte – nicht sinnvoll gewesen.


Viele dachten, Sie wären in der Versenkung verschwunden nach Ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag. Und nun, innerhalb von nur vier Jahren, sind Sie in den Bundesvorstand des DGB gerückt. Was wird dort Ihre Aufgabe sein?

Ich habe mich nie aus der Politik verabschiedet. Ich habe mich in den vergangenen Jahren in den Gewerkschaften, aber auch bei anderen Themen wie Rechtsextremismus, weiter engagiert. Dieses Engagement werde ich auch künftig fortsetzen. Meine Themen im DGB-Bundesvorstand werden wahrscheinlich die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sein. Zunächst habe ich den Bereich von Ursula Engelen-Käfer kommissarisch übernommen. Endgültig entscheidet das aber der neu gewählte Bundesvorstand.


Als vor zwei Jahren der Protest gegen Hartz IV seinen Höhepunkt erreichte, mischte auch der DGB mit. Seitdem standen Tarifauseinandersetzungen im Blickpunkt. Nun hat sich der Bundeskongress überraschend deutlich für einen Mindestlohn von 7,50 Euro ausgesprochen. Eine Minderheit wollte tarifliche Lösungen. Ist ein Mindestlohn von 7,50 Euro ausreichend?

Wir brauchen einen tragfähigen Schutz vor Armut. Es sollte, wo möglich, tariflich vereinbarte Mindeststandards geben. In vielen Bereichen gibt es gar keine Tarifverträge. Dort werden Armutslöhne gezahlt. 7,50 Euro sind das Minimum, das wir als gesetzlichen Mindestlohn brauchen, um flächendeckend gegen Armut zu schützen. Darunter geraten wir in den Niedriglohnbereich, in dem man von seiner Arbeit nicht leben kann. 7,50 Euro sollen dabei nur der Anfang sein. In anderen europäischen Ländern liegen die Mindestlöhne höher.