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Ein Stück Leben kennen lernen (12.04.2006)
Der 74-jährige Erwin Knoop freut sich über die Gesellschaft des Schülers Manuel Wesemann aus Berlin. Foto: Werner Krüper
Bielefeld (JW). In der Küche von Wohnung 1 ist Palaver: Manuel hat die Küchenmaschine angeschmissen und versucht sich im Kuchenbacken. Wendelin kümmert sich um Erwin Knoop, der ihm gerade eine Geschichte aus seinem Leben erzählt. Andere Bewohner der Wohngruppe 1 im Dorothee-Sölle-Haus, einer Alteneinrichtung des Evangelischen Johanneswerks, sitzen am Tisch und trinken Kaffee. Die Bewohner stört der Lärm nicht, den die Jugendlichen in der Küche veranstalten ganz im Gegenteil: »Jetzt ist mal richtig was los hier«, sagt Erwin Knoop und fährt mit seinem Rollstuhl schwungvoll über den Flur.
Wendelin Kammermeier und Manuel Wesemann besuchen die 11. Klasse des Evangelischen Gymnasiums Zum Grauen Kloster in Berlin-Wilmersdorf, Die beiden sind mit ihren Mitschülern für zehn Tage in Bielefeld und machen ein Sozialpraktikum in Einrichtungen des Evangelischen Johanneswerks. »Dass die Jugendlichen im Praktikum auch die Realität des hohen Alters kennen lernen, ist ein gewollter Effekt, sagt Christoph Otte, der Latein- und Griechischlehrer.
Das Praktikum hat Tradition. »Seit mehr als 30 Jahren gibt es das Angebot«, sagt Wendelin Kammermeier. Die elften Klassen können dabei zwischen Jugend- und Altenarbeit wählen. Ist das nicht einfach uncool, in einer Küche zu stehen oder den Menschen beim Essen zu helfen? Manuel,17, und Wendeln, 16 Jahre alt, schütteln den Kopf. »Ich glaube, dass das, was wir hier erleben, ganz wichtig für unser soziales Verhalten ist«, sagt Wendelin Kammermeier und es klingt nicht auswendig gelernt.
Viel Respekt vor der Arbeit
Manuel Wesemann findet es gut, mit Themen in Berührung zu kommen, »die draußen ziemlich ausgespart werden«. Demenz, psychische oder physische Behinderungen bei Menschen im Alter, Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit, das seien doch Themen die im normalen Leben »am liebsten gar nicht statt finden«.
Hier habe er die Gelegenheit, mit Bewohnern zu sprechen, sie, ihr Leben, ihre Eigenarten kennen zu lernen. Auch Manuel erlebt zum ersten Mal, auf verwirrte Menschen zu zugehen, die »ihre Lebensgeschichte durchaus drei Mal hintereinander erzählen«.
Die Jugendlichen pendeln jeden Tag mit dem Bus vom Senneheim in die Stadt, um Punkt neun Uhr betreten sie das Dorothee-Sölle-Haus. Von Bielefeld haben sie noch nicht allzu viel gesehen. »Das finden wir aber nicht so schlimm«, sagen sie. Sie genießen es, auf ihren Stationen gebraucht zu werden. Vor der Arbeit, die das Pflegepersonal macht, haben sie viel Respekt. Wendelin überlegt, Zivildienst zu machen und sieht das Praktikum als hervorragende Vorbereitung.
»Die Jungs sind eine große Hilfe«, sagt Daniela Niesen, Präsenzkraft in der Alteneinrichtung. Das Pflegepersonal achte darauf, dass sie viel mitkriegen, viel machen dürfen und dabei doch nicht überfordert werden. »Wir haben die jungen Leute gerne hier, sie bringen Leben und Abwechslung in unsere Wohnungsgemeinschaften«, sagt Niesen.
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