Webwecker Bielefeld: mogelpackung03

Freiheit als Mogelpackung (Teil 3)



Anschließend informierte Klaus Böhme, Vorsitzender des Hauptpersonalrats in Düsseldorf in einem fast einstündigen Vortrag über die komplizierte Materie. Sein Vortragsstil und die Brisanz der Frage sorgten dennoch für hohe Aufmerksamkeit unter den Beschäftigten, die wie sonst die Studierenden zum Teil auf den Stufen des überfüllten Hörsaals 1 ausharrten. Den Titel des »Hochschulfreiheitsgesetzes« nannte er ebenso »Gesetzgebungslyrik«, wie den des Gesetzes »zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen«, mit dem Studiengebühren eingeführt wurden. Das Hochschulfreiheitsgesetz müsse eher »Gesetz zur Kommerzialisierung der Hochschulen« heißen, befand er und fügte hinzu: »Es ist doch blauäugig zu glauben, man erreicht Spitzenleistungen, wenn man 55.000 Beschäftigte aus dem Landesdienst rausschmeißt«.

Denn wenn das Gesetz in Kraft tritt, sind die Beschäftigten von heute auf morgen keine Beamten oder Angestellten des Landes mehr, ihr Dienstherr ist dann die Hochschule. Mit allen Gefahren für sie: Die Hochschulen erhalten sogar die Möglichkeit Haustarifverträge abzuschließen. Für bereits Beschäftigte an den Hochschulen ist eine betriebsbedingte Kündigung zwar ausgeschlossen, für Neueinstellungen nach Inkrafttreten des Gesetzes fallen diese Schutzklauseln jedoch weg. Böhme befürchtet deshalb eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Beschäftigten an den Unis.


Der Pleitegeier kreist über den Unis

Und Kündigungen sind nicht unwahrscheinlich, denn die Hochschulen erhalten durch das Gesetz die »Möglichkeit« pleite zu gehen. »Die Insolvenz ist das innovative an dem Konzept«, spottete Böhme in Richtung »Innovationsminister« Pinkwart. Und die Insolvenz ist gar nicht so unwahrscheinlich. Denn wie die Studentenwerke erhalten die Hochschulen, wenn es nach Pinkwart geht, zukünftig nur noch Zuschüsse, bei denen wurden die aktuell um 20 Prozent gekürzt. Im »Zukunftspakt« verpflichtete sich das Land zwar kürzlich, diese Zuschüsse bis 2010 nicht unter das Niveau von 2007 zu senken. »Weiter steigende Energiepreise müssten die Hochschulen dann selbst tragen, auch wenn es doch mal wieder Tarifabschlüsse geben sollte, würden diese zumindest zum Teil von den Hochschulen getragen werden müssen«, beschrieb Böhme das Szenario. Ein weiteres Problem: Die Hochschulen werden kaum Kredite erhalten, die Liegenschaften, die als Sicherheit dienen könnten, verbleiben beim Land, auf viele wurde von dem bereits ein Kredit aufgenommen.

Auch Böhme kritisierte die Pläne für einen Hochschulrat: »Jeder Aufsichtsrat hat eine »Arbeitnehmerbank«, hier fehlt die aber«, sagte Böhme. In Vorgesprächen habe ihm aber ein Staatssekretär gesagt: Wenn Gewerkschafter im Hochschulrat sitzen würden, dann kämen auch andere gesellschaftliche Gruppen, wie die Kirchen. »Unser Verdacht ist, dass dann nicht mehr genug Platz für die Wirtschaftsvertreter ist«, flachste Böhme, um ernst hinzuzufügen: »Unter Einflussnahme der Wirtschaft wird ein flächendeckendes ausgewogenes Fächerangebot gefährdet«. Schon wahr, was für ein Interesse sollte etwa ein Vertreter von Bertelsmann an einem Studiengang Entwicklungssoziologie haben und dafür noch einen linken Professor bestellen.

Sollte das Gesetz tatsächlich in Kraft treten, wäre Böhme seinen Job als Vorsitzender des Hauptpersonalrats los, denn den gäbe es nicht mehr. Das ist aber nicht der Grund, warum auch er für eine Entschleunigung des Prozesses und mehr Nachdenken fordert. »Ich werde dann am 1.1.2007 die Korken knallen lassen und mich darüber freuen, dass mir die Landesregierung mehr Ruhe gönnt«, sagte er augenzwinkernd. Er fordert mehr Zeit zum Überlegen, weil die einfach nötig sei.