Dazu zählen auch Jugendliche, die einen eigenen Hausstand gründen und dann einen Zuschuss zur Einrichtung der Wohnung stellen. Herd, Waschmaschine und Bett auf Staatskosten, unabhängig vom Elterneinkommen. Ein Umstand, den Radloff kritisiert: »Die ist eine Ungerechtigkeit«. Dass alle, die über 18 Jahre sind, ein Recht haben, als eigenständige Personen gesehen zu werden, die nicht mehr von ihren Eltern abhängen sollten, spielt bei dieser Argumentation keine Rolle.
Die steigenden Zahlen bei den Bedarfsgemeinschaften zerbrechen vor allem die Köpfe der Stadtverwaltungs-Verantwortlichen. Denn steigende Zahlen bedeuten mehr Ausgaben, vor allem bei den Unterkunftskosten. Für die kommt die Stadt auf. Immerhin ist nun sicher, dass der Bund den Zuschuss von knapp 30 Prozent auch im kommenden Jahr zahlen wird. Darüber hatten Kommunen und Bund in den vergangenen Monaten gerungen, bevor in der vergangenen Woche eine Einigung erzielt wurde.
Günther Garbrecht, Sozialpolitiker der SPD und im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft, zeichnet die Zukunft vor: »Wir wollen die Besten sein«. Und zwar bundesweit. Ein großes Ziel, an dem sich die Arbeitsgemeinschaft künftig wird messen lassen müssen. Bis heute ist es nicht mehr als ein »gelungenes Abenteuer«, wie Arbeitsagentur-Leiter Peter Glück formuliert. Garbrecht aber will weiter: Arbeitplus fühle sich den Menschen verpflichtet. Schon heute sei die Bielefelder Arbeitsgemeinschaft im bundesweiten Vergleich ziemlich weit vorne. So gebe es auch eine Begleitung der Arbeitsmarktreform, unter anderem in Form eines Ombudsrats: »Es gibt Raum für die Sorgen der Betroffenen«.
Fördermittel nicht ausgeschöpftDiese Sorgen sind durchaus vorhanden. So konnte Arbeitplus den vom Bund zur Verfügung gestellten Etat für Aktivierungsmaßnahmen nicht ausschöpfen. Rund 31 Millionen Euro standen zur Verfügung. Kreft gibt zu, dass »eine ganze Menge zurückgehen wird«. Man hofft nun, dass der Antrag, 4,8 Millionen der Mittel auf das kommende Jahr ziehen zu können, Erfolg hat. Zudem seien 10 Millionen Euro langfristig gebunden, Maßnahmen, die im kommenden Jahr weiterlaufen. Auch für 2006 sind rund 30 Millionen Euro an »Eingliederungstiteln« seitens des Bundes zugesagt. Arbeitplus geht davon aus, dass im kommenden Jahr die Mittel auch ausgeschöpft werden können. »Wir befinden uns da in schlechter Gesellschaft«, betont Garbrecht und findet die Entwicklung »sehr bedauerlich«. Durch die Neuorganisation des Arbeitslosenbereiches waren viele Arbeitsgemeinschaften bundesweit in den ersten Monaten offenbar überfordert, so dass in vielen Orten Geld, dass eigentlich zur Qualifikation von Alg-II-Empfängern vorgesehen war, liegen geblieben ist.
Für 2006 hat man sich auch vorgenommen, näher an den Betreuungsschlüssel heranzukommen, der durch die Arbeitsmarktreform vorgegeben wurde. So soll ein sogenannter »Pap«, ein persönlicher Ansprechpartner, nicht mehr als 75 Kunden unter 25 Jahren betreuen, im Erwachsenenbereich gilt ein Schlüssel von 1 zu 150. Umgekehrt heißt dies aber auch, dass diese Schlüssel in Bielefeld bisher nicht erreicht sind.
Rund 300 Beschäftigte arbeiten inzwischen für Arbeitplus. 50 kamen von der Rege, 60 von der Agentur für Arbeit, weitere 100 kamen von anderen Unternehmen wie der Telekom oder wurden neu eingestellt. Offenbar ist es bis heute schwierig, diesen Arbeitnehmern eine gemeinsame Identität zu geben. Garbrecht spricht vorsichtig von »unterschiedlichen Kulturen«.
Problematisch ist weiterhin auch die Software, mit der Arbeitplus arbeiten muss. Bei den Arbeitsbewilligungen gebe es keine Probleme, betont Radloff. Das Programm, dass bei den Leistungen eingesetzt werde, laufe aber immer noch nicht richtig. Radloff sprach auch davon, dass es Meinungen gebe, dieses Programm werde niemals richtig laufen. »Nicht alle Erwartungen sind erfüllt, aber auch nicht alle Befürchtungen«, fasst Garbrecht das erste Jahr Alg-II in Bielefeld zusammen.