Webwecker Bielefeld: wohnungswechsel02

Ausgemessen ist nicht gleich angemessen (Teil 2)



Hanke betonte, wie beispielhaft die Richtlinien in Bielefeld seien. Viele andere Städte zeigten daran Interesse, die Regelung werde sogar von ›tacheles‹, einem Wuppertaler Verein gegen soziale Diskriminierung, der über eine gut besuchte Seite im Internet verfügt ( www.tacheles-sozialhilfe.de ) empfohlen.

Ulrike Gießelmann vom Bielefelder Verein Widerspruch ficht das gar nicht an. Entscheidend aber sei, was mit den Richtlinien gemacht werde. Ausnahmetatbestände würden so gut wie gar nicht umgesetzt, kritisiert sie. Die Arbeitsgemeinschaft habe bis Ende Juli 428 Haushalte aufgefordert, die Wohnung zu wechseln, in nur 28 Fällen habe es Aufschub gegeben, weil Ausnahme-Sachverhalte erkannt wurden. Hanke wiedersprach direkt: Viele würden zuvor erst gar nicht aufgefordert, alleinerziehende Mütter etwa. »Rund 20 Prozent sind Härtefälle, die nicht zum Umzug aufgefordert werden«, schätzt er. Genaue Zahlen hat er nicht, entsprechende Statistiken müssten manuell geführt werden – und wären mit hohem Aufwand verbunden, sagt Hanke.


1.000 Zwangsumzüge jährlich

770 Alg-II Bezieher haben bis Mitte Oktober eine Aufforderung zum Unterkunftswechsel erhalten, Hanke rechnet mit 1.000 jährlich. Das untere Preissegment auf dem Wohnungsmarkt lasse 2.000 Umzüge im Jahr zu, also sei dies zu bewerkstelligen. Gießelmann hält dagegen, dass es in der Stadt auch noch andere, Beschäftigte im Niedriglohnsektor, Studierende oder Bezieher von Arbeitslosengeld, gebe, die ebenfalls günstigen Wohnraum benötigten. »Fast die Hälfte der Bevölkerung sucht in dieser Preisklasse«. Für sie wäre es ein richtiger Schritt, die Grenze für die angemessene Grundmiete von bisher 4,65 Euro auf »rund 5 Euro« hochzuziehen, zumal sich die 4,65 Euro sowieso nicht erschließen. »Da scheint jemand mit dem Finger über dem Mietspiegel gekreist zu haben und der Finger ist bei 4,65 Euro stehen geblieben«.

2.600 Bielefelder Haushalte leben nach dem Maßstab der Stadtverwaltung in zu teueren Wohnungen – diejenigen, die vorläufig bleiben dürfen, weil ihre höheren Mieten geduldet werden, leben auf Abruf. Jederzeit kann die Stadt geänderte Richtlinien beschließen, oder ihre eigenen Richtlinien einfach nicht umsetzen. Catrin Hirte-Piel, Bielefelder Rechtsanwältin, hält es für geboten, nicht auf die Richtlinien zu starren, sondern jeden Fall einzeln zu prüfen.

Denn ein Wohnungswechsel hat eine mächtige Dimension und kann, begleitet von andauernder Arbeitslosigkeit, Menschen aus der Bahn werfen. Niemand frage in diesem Zusammenhang nach den Kosten, die da bei den Krankenkassen entstehen, wirft Gießelmann ein. In vielen Fällen werde bereits zum Wohnungswechsel aufgefordert, wenn die Monatsmiete auch nur fünf Euro zu hoch sei. Eine Einzelperson darf maximal 53 Quadratmeter bewohnen, mal maximal 4,64 Euro kalt pro Quadratmeter. Macht höchstens 245,92 Euro. Wer 251 Euro im Vertrag stehen hat, darf folglich mit einer Umzugsaufforderung von Arbeitplus rechnen. Dies sei nicht nur menschlich, sondern auch ökonomisch zu kritisieren, sagt Gießelmann. Schließlich sei eine Kaution und der Umzug zu zahlen.