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Sehenswerte Politiker (26.10.2005)





Foto: Philipp Ottendörfer



Von Manfred Horn

Der Soziologe Max Weber beschrieb einen Berufspolitiker bereits 1919: »Es gibt zwei Arten, aus der Politik seinen Beruf zu machen. Entweder: man lebt ›für‹ die Politik, – oder aber: ›von‹ der Politik. Der Gegensatz ist keineswegs ein exklusiver. In aller Regel vielmehr tut man, mindestens ideell, meist aber auch materiell, beides: wer ›für‹ die Politik lebt, macht im innerlichen Sinne ›sein Leben daraus‹: er genießt entweder den nackten Besitz der Macht, die er ausübt, oder er speist sein inneres Gleichgewicht und Selbstgefühl aus dem Bewusstsein, durch Dienst an einer ›Sache‹ seinem Leben einen Sinn zu verleihen.«

Was treiben Politiker eigentlich? Was treibt Politiker an? Beide Fragen beantwortet das Stück »Politiker« im TAM-zwei, welches dort seit Mitte Oktober zu sehen ist. Uwe Bautz, stellvertretender Schauspieldirektor des Stadttheaters, hat den Text geschrieben und gleich auch inszeniert. Herausgekommen ist dabei eine überzeugende Dekonstruktion des Berufs-Politiker-Typs. Politiker wollen, haben einen starken Zug zur Macht. Was sie wenig sind, ist »sein«. Sie wollen sein, sind es aber nicht. Sie wollten werden, wurden es aber nicht. Heute sind sie Politiker – und das ist nicht viel.


Ist der Poltiker ein Mensch?

In Bautz Inszenierung werden die Politiker sichtbar, die Menschen dahinter nicht. Oder eben doch – die Lage ist durchaus vertrackt. Weil, der Verdacht entsteht schnell, hinter der Fassade nicht mehr viel ist. Denn der Politiker ist Politiker – es gibt wenig Berufe, aus denen ein Entkommen noch unmöglicher ist. Ein professioneller Politiker muss 24-Stunden dabei sein, sonst hat er keine Chance auf einen Platz an der Macht.

In den Momenten des Erinnerns blitzt das Andere auf: Der Politiker, der früher auf Kindergeburtstagen die Biene Maja gab, die Politikerin, die Kochtopf-Lappen häkelte. Auf dem Planeten Politik spielt all dies keine Rolle mehr – oder wird performativ recycelt und in den Dienst der Sache gestellt. Ein Spitzenpolitiker, dargestellt von John Wesley Zielmann, gibt die Biene und besummt die Kinderherzen, es sind die Wähler von morgen.

Politiker sind schlechte Schauspieler. Zu ihrer Entschuldigung ist vorzubringen, dass sie ihr Fach nicht gelernt haben. Es gibt keine Politikerschule. Sie müssen sich mit persönlichen Trainern über Wasser halten, die ihnen sagen, wann sie wie in die Kamera schauen sollen – und wie man einen Satz am geschicktesten bildet.

Bilder mit rauchenden Politikern sind verpönt, wie das namenlose, von Nicole Paul dargestellte Exemplar betont. Da kommt es darauf an, im richtigen Moment zu qualmen – wenn keine Kamera zuschaut. Eine weitere Vertreterin des Volkswillens, zur Schau gestellt von Ines Buchmann, trägt gerne mal einen dunkelblauen Hosenanzug – der in der Presse immer als schwarzer wiedergegeben wird. Ärgerlich.

Genau hier endet die Macht der Politiker wie die der Schauspieler: Sie können darstellen, haben aber wenig Einfluss auf die Rezeption. Sie können versuchen, zu gefallen, haben aber keine Garantie für den Applaus. Der Wunsch nach Anerkennung aber führt bei Politikern dazu, sich Mustern und Symbolen zu bedienen, die die Zustimmung zumindest wahrscheinlich machen.


Und die Blase platzt

Das macht die Sache spannend: Wenn Politiker schlechte Schauspieler sind, so sollte es für Schauspieler möglich sein, Politiker zu spielen. Ronald Reagan und Arnold Schwarzenegger sind zwei prominente Beispiele. Was aber passiert, wenn Schauspieler nicht in die Politik gehen sondern Politsche, die meinen aus Berufung zu handeln, auf der Theaterbühne darstellen?