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Hundsgemein (Teil 2)





Was allerdings Philipp Preuss als Regisseur, Uwe Bautz als Dramaturg, Ramallah Aubrecht und Eva Karobath als Bühnen- und Kostümbildnerinnen und das Ensemble auf der Bühne aus der mäßigen Vorlage gemacht haben, ist aller Achtung wert. Die Inszenierung ist nämlich wohlgefeilt. Am Anfang weiß man noch nicht, wohin die Reise geht. Irgendwie schleppt sich der schweigende Held in des Mutters Stube, die dafür um so mehr und so blöder quasselt.

Doch dann kriegt die Inszenierung richtig Fahrt, was an der äußerst gelungenen Besetzung der vier Jugendfreunde liegt. Andreas Hilscher gibt den Memo, einen schweigsamen Soldaten, an dem alle Fassade zerbricht. In Blau-Weiß steht er auf der Bühne, weniger Frontsoldat denn Seemann. Er ist die Projektionsfläche, die ihren stärksten Moment hat, wo sie entladend und ein bißchen stotternd wie ein verbogenes Maschinengewehr lacht.

Oliver Baierl glänzt als Alex, einer Figur, die am stärksten die Fantasien einer dreckigen Subkultur bedient. Prollig, ein bisschen blöd, unkontrolliert und voller Gewalt. Ihm hat die Regie ein Schlagzeug verpasst, was den Eindruck einer permanenten Explosion der Figur nochmals verstärkt. Seine Freundin Pepsi, überzeugend dargestellt von Nicole Paul, sieht wirklich aus wie eine schlechte Litfasssäule, der man aus Versehen zwei Beine untergeschraubt hat und die Werbung für geschwippte Getränke macht. Geistig auf dem Niveau von Alex, speit sie Alcopop-Sätze und versucht sich als säuselnder Kitt, indem sie immer mal wieder Musik auflegt, um die Spannung zu entladen. Doch ihre Musikschleife kommt nicht durch, verwebt sich zu kräftigen Dissonanzen.


Kork macht gleich

Nico Nothnagel wiederum überzeugt als Frank, der so frei nicht ist. Seine Freunde ärgern ihn, der sich mit seinem Kork behaglich in der kleinen Welt eingerichtet hat, wohl gerne mal damit, Franz zu ihm zu sagen. Die vierte im Bunde ist Christin, gespielt von Claudia Mau. Sie geht angeblich nachts Müll sortieren, allerdings anders, als ihr Ehemann Frank denkt: Nicht in der MVA bei Baumheide, sondern im Puff in Herford. Mau zeichnet in ihrem Spiel ein stimmiges Bild der Lady in Black.

Die Bühne teilt sich in oben und unten auf, was allerdings nicht im Sinne von Klassenunterschieden gemeint ist. Der Kork liegt unten wie oben – ist dabei überall das Echtholz für Arme. Die zwei Ebenen ermöglichen aber ein abwechslungsreiches Spiel. Immer wieder lässt Regisseur Preuss seine Protagonisten nebeneinander nach vorne spielen und sich so sogar gegenseitig würgen. Die indirekte Spielweise fasziniert, weil sie keine Nähe aufkommen lässt. Hier und da dürfen die Akteure Subtext sprechen, sie sagen dann, was sie wirklich übereinander denken. Und immer mal wieder wird die Bühne gedoppelt, indem sie zur Bühne auf der Bühne wird: Dies vollzieht sich durch die aufgestellten Mikrophone, durch die Verkaufsshow von Korkunternehmer Frank oder durch einen weiteren Schauspieler, der in der ersten Publikumsreihe platziert ist und hier und da für einen Schnappschuss auf der Bühne aufschlägt.

Preuss bedient sich aus dem breiten Repertoire theatralischer Möglichkeiten – und liegt damit richtig. Am trivialsten dabei noch, dass in einen Inszenierung eines Stückes namens Dogland zwei Hundemasken gehören, spannender schon, dass eine Maske auf dem Gesicht von Franz entsteht, wenn er sein Gesicht in einen Eimer brauner Farbe taucht. Preuss lässt die Spieler Statuen bauen, um den Krieg nachzuzeichnen, er lässt sie choreographiert tanzen, was kleine Momente der Komik beinhaltet. Hoch anzurechnen ist ihm auch, dass er nicht der Versuchung erlegen ist, das Stück fleischig zu machen. Die Prostituierte Christin behält einen Rest an Würde, sie wird nicht nackt gezeigt. Im Stück wimmelt es von Sex, Preuss deutet ihn nur an. Eine weise Entscheidung, die die Ästhetik befördert – und auch die Spieler schützt.