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Literaturtage xxl (14.09.2005)





Liest aus ihrem Großstadtroman voller Gewalt und Liebe: Terezia Mora



Von Manfred Horn

Die Stadtbibliothek wird 100 Jahre alt. Ein Umstand, der in diesem Jahr die Literaturtage größer werden läßt. Möglich geworden ist das dank einer größeren Spende der Sparkassen-Stiftung, aus Eigenmitteln hätten sich die vergrößerten Literaturtage nicht finanzieren lassen, erklärt Klaus Loest, der die Lesereihe organisiert hat.

13 Veranstaltungen mit 16 Autoren und über 30 Beteiligten stehen in diesem Jahr vom 17. Oktober bis 16. November auf dem Plan, hinzu kommen die Jubiläumsveranstaltung am 1. Dezember, bei der nicht nur Reden auf die schöne, gute Stadtbibliothek gehalten werden, sondern auch Robert Gernhard lesen wird.

So wird es in diesem Jahr etwas mehr Lesungen geben, vor allem aber werden einige von ihnen opulenter ausfallen: Mit Musikern, Schauspielern und Übersetzern. Ein Programm, mit dem die Stadtbibliothek hofft, die Besucherzahle des vergangenen Jahres – 1.222 – zu knacken.

Was sich nicht geändert hat: Es geht nach wie vor vor allem um Belletristik. Packende Erzählungen und die Kunst des Erzählens gehen Hand in Hand. Viele der diesjährigen Romane thematisieren die Liebe und die Nicht-Liebe, ohne allerdings in Kitsch oder rasende Besinnungslosigkeit abzugleiten.

Den großen Lesebogen eröffnet Tereza Mora am 10. Oktober: Die in Berlin lebende Ungarin liest aus ihrem aktuellen Roman ›Alle Tage‹. Ein Werk, über das die ›Frankfurter Rundschau‹ urteilte: »Ein strahlend intelligenter, souverän konstruierter Großstadtroman, voller Gewalt und vergeblicher Liebe«. Ein Buch voll idyllischer Momente, »Ich gab das eine Auge für die Wahrheit« und zugleich voller Gewalt. Abel Nema, der Protagonist der Geschichte, sitzt im Westen fest, und da auch noch gefesselt an einem Klettergerüst. Das Sprachgenie versucht allerdings Herr über sein Schicksal zu werden – wozu Lebensversuche als Landstreicher und Lehrer gehören.

Auf Terezia Mora folgt am 15. Oktober gleich das nächste Highlight: Pascal Mercier liest ›Nachtzug nach Lissabon‹. Der Autor arbeitet mit seinem Pseudonym, hinter dem sich der Schweizer Philosophie-Professor Peter Bieri verbirgt. Der lehrte an vielen Orten der Welt, auch schon mal in Bielefeld. Das Pseudonym ist natürlich wenig wert, wenn der bürgerliche Name bekannt ist. Es scheint so, als habe der Autor seine anfängliche Angst, als Wissenschaftler verlacht zu werden, wenn er Romane schreibt, abgelegt zu haben. ›Nachtzug nach Lissabon‹ liest sich wie die Methapher einer Lebensweise. Denn der Berner Lateinlehrer Raimund Gregorius steht mitten im Latein-Unterricht auf und geht. Der Unscheinbare entwickelt Lafontainsche Qualitäten, setzt sich in den Nachtzug nach Lissabon, im Gepäc nur das Buch von Amadeu de Prado, dessen Einsichten in die Erfahrungen des menschlichen Lebens ihn nicht mehr loslassen.


Britisch und böse

Nicht verpassen sollte man auch die Lesungen von ›Supergute Tage‹ am 22. Oktober. Hier betreten die Literaturtage gar Neuland: Erstmals liest nicht der Autor, sondern ein Schauspieler. Und dies in kein geringerer als Rufus Beck, der deutschen Stimme von Harry Potter. Er liest einen Roman, der so britsch ist, wie die Deutschen Rezipienten dies erwarten: Immer ein bißchen schrullig, verspielt, böse und überraschend. Christopher ist Autist, für ihn muss die Welt eine klare Ordnung haben. Grautöne mag er nicht, dafür Eindeutigkeiten.