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Die Sucht nach dem Kick (20.04.2005)





Glücksspielsüchtige und deren Angehörige erleben fürchterliche Zeiten. Oft führt dies auch zur Trennung in Beziehungen. Oder die Süchtigen kriegen im letzten Moment noch die Kurve. Sechs Betroffene berichten,


Von Manfred Horn

»Im komme aus einem Dorf, wo nicht viel los ist«, sagt Maren. Dort ging sie mit einem Bekannten in die Kneipe und warf eher zufällig Geld in den dort bereitstehenden Automaten. Die ersten fünf Spiele haben gleich 100 Mark gebracht. Für viele Glücksspielsüchtige beginnt die Karriere offenbar mit einem Gewinn. Renate ging 1979 in eine Gaststätte: »Da kostete ein Spiel noch 10 Pfennig«, erzählt sie. Gleich beim ersten Mal gewann sie über 100 Mark. Auch Frank begann mit Gewinn: »Das war leicht verdientes Geld«.

Die Bielefelder Fachstelle Glückspielsucht kennt die Biographien. Zum sechsjährigen Jubiläum veranstaltete sie eine Talkrunde mit – wie sollte es anders sein – sechs Betroffenen. Vier davon waren glückspielsüchtig, einige davon fallen bis heute zuweilen in ihre Sucht zurück. Sie haben sich in einer Therapiegruppe der Fachstelle zusammengefunden, weil sie nach vielen Jahren in abgedimmten Spielhallen erkannten: So kann es nicht weiter gehen. Oder aber ihre engsten Bezugspersonen machten Druck.


Druck durch Angehörige als letzte Chance

In der Talkrunde sitzen zwei dieser Angehörigen. Dass die beiden Frauen sind, ist kein Zufall: Glücksspiel ist vor allem eine Männersucht. Und die Frauen haben darunter zu leiden. »Nach einem halben Jahr war mir klar, was mein Mann da macht«, erzählt Alexandra. Seine Lügen habe sie durchschaut. Sie sagte ihm klipp und klar: »Du suchst dir Hilfe oder ich gehe«. Dies mobilisierte ihren Mann. Auch Melten hatte darunter zu leiden, dass ihr Mann kaum noch zu Hause war und nie Geld ins Haus kam. Bekannte haben dann das Auto ihres Mannes in der Nähe von Spielhallen gesehen. Dennoch hat es lange gedauert, bis ihr Mann eine Beratung aufsuchte. Er meinte, alles im Griff zu haben. Doch wenn er mal nicht spielte, dauerte dies höchstens zwei Monate. Danach ging alles wieder von vorne los. Erst als sie im drohte, ihre Koffer zu packen, kam ihr Ehemann auf Trab.

Von außen ist die Sucht schwer verständlich. Erklärungsansätze gibt es viele, eine dauerhafte Therapie hingegen ist schwierig. Serkan hat sogar einen Selbstmordversuch hinter sich gebracht. »Ich habe im Internet nach einem Hilfeangebot gegoogelt und anschließend danach, wie man am besten Suizid begehen kann«, erzählt er heute. Er hatte Glück und überlebte. Die Verzweifelung entstand, weil ihn seine Frau ob seiner Sucht verlassen wollte. Serkan fand aber keinen Ausweg. Erst nach dem Selbstmordversuch suchte er Hilfe – seine Frau verließ ihn trotzdem.

Auch Maren bekam öfters die Pistole auf die Brust gesetzt. Ihre Eltern machten Druck, zweimal bezahlten sie Kredite, danach drohten sie, ihr das Kind wegzunehmen. Ihre Tochter aber war das einzige, was sie noch im Leben außerhalb der Spielhallen hielt. Sie reagierte und ging zu einer Selbsthilfegruppe. Sonderlich ernst nahm sie die nicht, vielmehr wollte sie den Eltern einen Gefallen tun. »Meine Eltern konnten mir nicht helfen«, sagt sie heute. Parallel zur Selbsthilfegruppe begann sie eine ambulante Therapie. Aber auch die verlief zunächst schleppend, immer noch drückte sie sich in Spielhallen herum. Erst als der Therapeut sie fragte: »Was würde dir wehtun?« und sie merkte, dass dies der Abbruch der Therapie ist, wurde sie entschlossener: »Dies war der Wendepunkt«.