Webwecker Bielefeld: tariflos

Gegen tariflosen Zustand (02.03.2005)





Helmut Nowotzin: »Wir werden Druck machen«






ver.di wird auch in den kommenden Wochen versuchen, Druck auf die Bundesländer zu machen. Es geht um den Abschluss eines neuen Flächentarifs für die Landesbeschäftigten im öffentlichen Dienst.



Von Manfred Horn

Nachdem sich Bund, Kommunen und ver.di sich Anfang Februar auf ein neues Tarifrecht geeinigt haben, steht dies für die Länder noch aus. Die Länder sind seit Mai 2004 nicht mehr Teil der Arbeitgebertarifkommission, die bis dahin aus Bund, Ländern und Kommunen bestand. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Länder einseitig die Arbeitszeitregelungen aufgekündigt und – je nach Bundesland unterschiedlich – die Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden hochgeschraubt. ver.di machte darin einen klaren Verstoß aus, hatte man doch verabredetet, gemeinsam bis Ende Januar 2005 ein neues Tarifwerk zu erarbeiten.

Nun gilt der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (Tvöd) ab 1. Oktober nur für die rund zwei Millionen Beschäftigen beim Bund und den Kommunen. Die »Jahrhundertreform« speckt das Tarifrecht ab, hat aber auch ihren Preis: mit 35 Monaten wurde eine lange Laufzeit vereinbart, ohne prozentuale Lohnerhöhungen, dafür aber mit Einmalzahlungen. Bis 2008 nähern sich die Löhne in den neuen Bundesländern auf 97 Prozent des Westniveaus an.

Neu sind auch leistungsabhängige Entgeltbestandteile, die maximal acht Prozent des Einkommens ausmachen. Die Einrechnung der Leistung beginnt aber erst in 2007. Die Wochenarbeitszeit wurde bundesweit auf 39 Stunden festgelegt. Allerdings sieht der neue Vertrag regionale Öffnungsklauseln bis hin zu einer 40-Stunden-Woche vor. Mittels Arbeitszeitkonten kann die Woche im Betrieb auch 45 Stunden dauern, Mehrarbeit wird durch Freizeit ausgeglichen. Das Weihnachts- und Urlaubsgeld wird zu einer Jahressonderzahlung zusammengefasst und künftig etwas geringer ausfallen als bislang.

Verdi-Chef Frank Bsirske nannte die Reform ein »rundes Konzept«. Das finden die Bundesländer nicht. In der Tarifgemeinschaft der Länder (Tdl) sind ohnehin schon zwei abhanden gekommen. Hessen erklärte seinen Austritt, Berlin wurde ausgetreten, weil es eigenmächtig ein Tarifabkommen mit ver.di schloss. Zwar sind die Positionen der Länder durchaus unterschiedlich – von schroffer Ablehnung bis hin zu Verhandlungsbereitschaft – was aber am Ende herauskommen wird, ist offen. Auch deshalb, weil ver.di vor einer neuen Situation steht: Erstmals muss mit den Ländern alleine verhandelt werden. Und gerade bei den Arbeitern und Angestellten der Länder ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad geringer als beispielsweise bei den Kommunal-Beschäftigten.

Es geht in dem Konflikt darum, einen Abschluss für die 900.000 Länderbeschäftigten zu finden. Die befänden sich im Moment in mehrfacher Hinsicht in einem tariflosen Zustand, erklärt Helmut Nowotzin, ver.di Sekretär im Bezirk Bielefeld-Gütersloh: Gekündigt sei der Zuwendungstarifvertrag, der vor allem das Weihnachtsgeld regelt, der Urlaubsgeldtarifvertrag und die Arbeitszeitregelungen. Ohne Tarifvertrag können die Länder in diesen Bereichen machen, was sie wollen, auch wenn der alte Manteltarifvertrag ›BAT‹ weitergilt. All denjenigen, die neu anfangen, einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag erhalten oder in eine andere Position wechseln, können die Länder ihre Bedingungen in den Vertrag diktieren: In Nordrhein-Westfalen beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden und abgesenktes Weihnachts- und Urlaubsgeld.