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Der Buchtipp im Dezember: »Die Bibel« (01.12.2004)





Was ist eigentlich dran an der Deutschen zweitliebstem Lesestoff, der Bibel? Gastautor Christoph Steffen, Pfarrer in der Bielefelder Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde, hat gute Gründe gefunden, sich ins Buch der Bücher zu vertiefen.

von Christoph Steffen

Zugegeben, ich bin ein parteilicher Rezensent dieses tröstlichen und revolutionären, missbrauchbaren und befreienden Buches. Mehr als ein Buch ist es, eigentlich eine Bibliothek mit 66 Büchern und noch viel mehr Autorinnen und Autoren, die vielstimmig, in verschiedenen Zeiten, »durcheinander, gegeneinander, miteinander reden, singen, murmeln und beten« (K. Marti).


Wie liest man in diesem Buch?

Man kann einfach mit dem Anfang beginnen, der mal eher staunend, mal eher erzählend die Grundbedingungen des Lebens beschreibt. Ein Einstieg könnte auch das Buch Exodus (2. Buch Mose) sein. Für Israel ist es das Urereignis und entscheidendes Glaubensbekenntnis, dass Gott ihr geliebtes Volk aus ägyptischer Sklaverei befreit hat.

Leserin oder Leser könnte auch mit dem Buch der Psalmen (Psalter) beginnen, wunderbarer Poesie. Für mich gehören die Psalmen zu den spannendsten Texten dieses Buches, es sind Gebetsformulare einer widerständigen und Widerstandskraft verleihenden Spiritualität (z.B. Psalm 22; 23; 126; 139).

Oder, liebe Leserin, lieber Leser, du beginnst deine Lektüre mit den Geschichten des Bauernpoeten Jesus, dieses Revolutionärs der Liebe aus Nazareth, mit dem Lukasevangelium oder der Bergpredigt (Matthäusevangelium Kap. 5-7), der Magna Charta einer gewaltfreien Ethik der Gerechtigkeit.


Gottesangst und lieblose Moral

Aber vielleicht denkst du auch, die Bibel kenne ich längst, werde nicht darin lesen, es ist ein altes missbrauchtes Buch. Das stimmt. Die Bibel hat dazu gedient, Kreuzzüge zu rechtfertigen und die Apartheid. Auch G.W. Bush meint sich auf die Bibel berufen zu können. Zu Unrecht! Menschen haben Psychoterror im Namen Christi erlebt. Ihnen wurden Gottesangst und lieblose Moral eingeimpft. Noch heute geschieht das. Und die meisten Christinnen und Christen haben nicht die Klarheit und den Mut gehabt, nach 1933 dem Hitlerstaat das allereinfachste Bekenntnis entgegenzusetzen: Jesus ist Jude.

Es braucht Auslegungsschlüssel. Für mich sind es zwei: Den einen habe ich von Martin Luther gelernt: Du bist der Wahrheit nah, wenn du in der Bibel findest, was von Christus handelt. Für Luther stand im Zentrum die »Rechtfertigung des Sünders«. Mit meinen Worten: Bei Gott ist Vergebung zu finden und die Kraft eines neuen Anfang eines veränderten erneuerten Lebens.


Zwei Auslegungsschlüssel

Mein zweiter Auslegungsschlüssel hat mit dem Buch Exodus zu tun und mit dem Wort Befreiung. Die Bibel ist ein Freiheitsbuch und sie hat eine klare Option für die Armen. Die Bibel ist ein politisches Buch. Aus ihr spricht die leidenschaftliche Sehnsucht nach einer Gerechtigkeit, in der die Hungernden gesättigt werden und die Tränen abgewischt von den Augen der Weinenden.

Die Bibel sucht beteiligte Leserinnen und Leser. Sie ermutigt Menschen zu befreiender Praxis und erzählt von einem leidenschaftlich und liebevoll an uns Menschen interessierten Gott. Ich glaube, dass man eine Lesegemeinschaft braucht, um mit diesem Buch zu leben. Das Gespräch, die wechselseitige Ergänzung, den Austausch, um zu verstehen und den Reichtum zu entdecken.

Übrigens: Bibelübersetzungen gibt es sehr viele. Ich finde die geniale, wenn auch manchmal einseitige Übersetzung von Martin Luther am besten.
(Ausgabe mit hilfreichen Erklärungen nicht nur für Jugendliche: Luther-Bibel für dich, ISBN 3438012502)

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