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Kostenexplosion ist eine Erfindung (Teil 2)



»Es ist unredlich, den Terminus der Kostenexplosion überhaupt in den Mund zu nehmen«, fügt er an. Der richtige Begriff sei der der Ausgabenexplosion. Denn das Gesundheitswesen ist längst ein großes Markt, in dem Profite erwirtschaftet werden. Ärzte, Pharmaindustrie und Apotheken sind ganz normale Unternehmen, die nach Profitmaximierung streben. Und die zur Kartellbildung neigen. So gebe es bis heute keine Statistik, die die Ausgaben zwischen Kosten und Gewinn aufteile. Zu vermuten aber ist, dass gerade die Pharmaindustrie wesentlich für die Steigerung der Ausgaben im Gesundheitswesen gesorgt hat. »Ärzte können sich ihre Nachfrage sogar selbst verschreiben«, stellt Bontrup heraus. Wenn der Doktor zu Herr Schulz sagt: »Kommen Sie nächste Woche noch mal wieder, ich muss die Diagnose fortsetzen«, wird dem Schulz in der Regel folgen.

Doch was sind die Alternativen? Die Kopfpauschale aus Sicht Bontrups sicherlich nicht. Alleine die Semantik stört ihn schon. Den die Kopfpauschale, bei der alle Bürger den gleichen Betrag in die Krankenversicherung zahlen und die Arbeitgeber ihren Beitrag nochmals verringern, bedeutet für ihn die völlige Entsolidarisierung: Einfach weil Reiche dann genauso viel einzahlen müssen wie Arme. Der aktuelle Vorschlag der CDU/CSU geht von 109 Euro pro Monat und Bürger aus, 60 Euro zahlt der Arbeitgeber bei abhängig Beschäftigten dazu. Mitversicherungsmöglichkeiten in einer Familie entfallen dann. Dann allerdings ist eine soziale Abfederung, und die würde dann aus Steuereinnahmen bezahlt: 16 bis 25 Milliarden pro Jahr müsste der Bund aufbringen, damit die Armen auch ihre 109 Euro in die Krankenkasse einzahlen können. »Mit diesem Modell wird sich die CDU im Bundestagswahlkampf 2006 ihr eigenes Grab schaufeln«, ist Bontrup überzeugt.

Bontrup plädiert für die Bürgerversicherung, die zur Zeit innerhalb der Regierungskoalition diskutiert wird. Er will aber die große Variante: Alle sollen bitte schön alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige und Beamte. Auch Kapitaleinkünfte, Gewinne durch Vermietung und Verpachtung sollen mit einfließen. »Es ist nicht einzusehen, dass jemand, der ein Acht-Familienhaus geerbt hat und von den Mieteinkünften lebt, von der Bürgerversicherung freigestellt wird«. Innerhalb der Bürgerversicherung müsse es zwei Säulen geben: Die paritätische, bei der die Arbeitgeber die Hälfte zuzahlen, und eine zweite für Selbstständige und andere Personen. Auch die gegenwärtige Beitragsbemessungsgrenze von rund 3.500 Euro, ab der jemand absolut nicht mehr einzahlen muss, egal wie viel er verdient, müsse angehoben werden. Bontrup rät, genaustens zu beobachten, wie sich die Pläne der Bundesregierung zur Bürgerversicherung entwickeln.

Ferner will Bontrup die Privaten Krankenversicherungen auf Zusatzleistungen beschränken, soll die gesetzliche Krankenversicherung alle Leistungen abdecken: »Die Rosinenpickerei muss ein Ende haben«. Auch die Fallpauschale soll wieder weg: »Dies ist der völlig falsche Weg«, empört sich Bontrup. Nicht mehr der Arzt im Krankenhaus entscheide, sondern der Verwaltungsdirektor. Seit diesem Jahr werden die Leistungen der Krankenhäuser nicht mehr tageweise abgerechnet, sondern pauschal je nach Krankheit. Damit zwinge man die Krankenhäuser zu einem »Profitcenter-Denken«. Auszubaden hätten das die Beschäftigten und die Patienten.


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