Kritische Studierende Dorn im AugeDer zweite Punkt des Hochschulrahmengesetzes, über den das BVG entscheiden muss, ist die Frage der Verfassten Studierendenschaften. Das Gesetz schreibt diese Gremien vor, die CDU regierten Länder sehen auch darin eine Kompetenzüberschreitung des Bundes. »Wie viele andere Studierendenvertretungen halten wir diese Begründung für vordergründig und populistisch«, erklärt Christian Baier, Bildungsreferent des AStA. »Als bestimmendes Moment machen wir den Wunsch aus, starke, unbequeme, autonome studentische Strukturen zu erschweren oder sie ganz unmöglich zu machen«, vermutet Baier. In Zeiten neoliberaler Bildungsreformen sei deren Protagonisten eine demokratische, kritische und gesetzlich verankerte Studierendenschaft ein Dorn im Auge.
Finanz- und Satzungsautonomie ermöglichten den Studierendenschaften politisches Engagement. Als Beispiel nennt Baier die Zeitung der Studierendenschaft namens »Provinz«, die IG Dynamik, die sich für die Interessen behinderter Studierender einsetzt oder die Antifa-AG. Was fehlende Autonomie bedeutet, zeigt er am Beispiel Bayern, wo die Studierendenvertreter »jeden Bleistift« beim Rektorat beantragen müsste. »An der TU München wurde ein Antrag auf ein TAZ-Abo vom Rektorat abgelehnt«, erzählt Baier. Erlaubt ist nur der Bayern-Kurier.
Als weiteres Beispiel für den Vorteil der Finanzautonomie nennt Baier die Beratungs- und Unterstützungsangebote, die alle Studierenden mit ihrem Semesterbeitrag, an der Uni Bielefeld 10 Euro pro Semester, solidarisch mitfinanzieren. Auch hier hat er ein Negativbeispiel: »Die Studierendenvertretung an der Uni Tübingen wollte eine BAFöG-Beratung anbieten, diese wurde aber vom dortigen Studentenwerk untersagt«, beschreibt Christian Baier die süddeutschen Verhältnisse. In Bielefeld ist die Beratung selbstverständlich und wird sehr gut angenommen.
Auch Baiers Argumentation überzeugt die bei der Vollversammlung Anwesenden: In der Resolution sprechen sie sich auch für eine demokratisch verfasste Hochschule und den Ausbau studentischer Mitbestimmung aus. Außerdem wenden sie sich »gegen die Umstrukturierung von Hochschulen zu Unternehmen auf dem Wissensmarkt«. Das Studium dürfe nicht auf eine Ausbildung für den Arbeitsmarkt reduziert werden, so die Forderung. »Dies kann der gesellschaftlichen Verantwortung von Bildung und Hochschule als Ort der kritischen Reflexion und Weiterentwicklung gesellschaftlicher Prozesse nicht genügen«, heißt es zur Begründung.
Dass die Hochschule noch ein solcher Ort ist, zeigen Diskussionsbeiträge während der Vollversammlung. So bringt ein Student die Forderung nach Studiengebühren in Zusammenhang mit Hartz IV: Beides seien Maßnahmen zu einer stärkeren Hierarchisierung der Gesellschaft. Ein anderer weist darauf hin, dass seine Eltern über Steuern bereits einen Beitrag für sein Studium geleistet hätten, und wettert gegen dieses »doppelt Beitrag leisten«. »Diese neoliberale Scheiße, dass ich für jeden Mist bezahle, ist nicht einzusehen«, schimpfte er.
Die Studierenden glauben nicht, dass sie mit der auch an anderen Hochschulen bundesweit verabschiedeten Resolution die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beeinflussen können. »Aber wir müssen doch unsere Meinung sagen«, entgegnet ein Student seinem Kommilitonen, der den Sinn der Resolution anzweifelt. Und Stefan Bienefeld sieht die als Beginn der nächsten Auseinandersetzung: »Wenn das Gesetz kippt, müssen die Länder gesetzliche Regelungen treffen«, sagt er. Die Resolution sei ein Schritt, bundesweit Position zu beziehen. Der nächste ist eine Demonstration am 20. November in Düsseldorf, weitere sollen folgen. Christian Baier hofft auf breite Beteiligung der Studierenden: »Meine persönliche Meinung ist, dass es wichtig ist ein Dorn zu bleiben und diese Leute zu nerven.«