Von Manfred HornDie Stadt Bielefeld will Kinder, die nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, demnächst auch in sozialpädagogischer Tagespflege beziehungsweise nur für eine gewisse Zeit bei Pflegeeltern unterbringen. Bisher gab grob gesagt die Alternative, dass die Kinder entweder in einer Dauerpflege bei einer Pflegefamilie oder in einer stationären Einrichtung untergebracht werden.
In Bielefeld sind jeweils die Hälfte der Kinder in einer Familie oder stationär untergebracht, insgesamt circa 600 Kinder. »Das Hauptziel ist immer die Rückkehr in die Familie«, erklärt Georg Epp, Leiter des Dienstleistungszentrums Jugend, Soziales, Wohnen. Die neuen Module sollen die Rückkehr durch gezielte Förderung möglich machen.
Das Modell Eltern auf Zeit wird vom städtischen Pflegekinderdienst gemeinsam mit der von Laer-Stiftung getragen. Familien, die ihr Kind vorübergehend nicht versorgen können, können ihr Kind nun in eine sogenannte »Eltern auf Zeit-Familie« geben. Grob ist ein Zeitraum zwischen sechs Monaten und eineinhalb Jahren geplant. In dieser Zeit sollen erfahrene Eltern die Entwicklung des Kindes unterstützen. Zugleich wird mit den leiblichen Eltern in dieser Zeit intensiv daran gearbeitet, die Familiensituation so zu stabilisieren, dass das Kind in den Haushalt zurückkehren kann. Während der Zeit sollen die Bindungen des Kindes zu den leiblichen Eltern bestehen bleiben, in dem es regelmäßig Besuchskontakte gibt.
Das zweite neue Modell will Kinder bis zu vier Jahren für täglich maximal sechs Stunden in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie unterbringen. Dabei handelt es sich nicht um Versorgungspflege, sondern um Erziehungspflege. Allerdings bietet die Stadt bereits seit einiger Zeit auch die reine Versorgungspflege in einem anderen Baustein ihres Programms an. Der städtische Pflegekinderdienst macht aber gerade im Bereich der sozialpädagogischen Tagespflege einen steigenden Bedarf aus und hat deswegen dieses Modul neu ins Programm genommen. Die Kinder pendeln täglich hin- und her, zwischen der leiblichen Familie und der Pflegefamilie. In der Pflegefamilie werden sie dann nach einem Hilfeplan gefördert, auch die leiblichen Eltern erhalten fachliche Unterstützung.
Beide Modelle kommen jedoch nur ins Laufen, wenn es Familien gibt, die die Kinder auch aufnehmen. Sie müssen motiviert und kompetent sein. »Wir wünschen uns Eltern mit erzieherischer Kompetenz, Belastungsfähigkeit und Toleranz gegenüber anderen Erziehungsmethoden«, sagt Armin Förster vom Jugendamt der Stadt. Interessierte können sich bewerben, werden auf ihre Eignung hin geprüft und erhalten im Falle der Übernahme von Pflege weitere fachliche Begleitung.
Sie erhalten zudem eine Aufwandsentschädigung: Wer sozialpädagogische Kinderbetreuung übernimmt, bekommt pro Kind und Stunde vier Euro, wobei die Höchstgrenze bei sechs Stunden pro Tag und maximal drei Kindern liegt. Wer »Eltern auf Zeit« wird, bekommt circa 1600 Euro im Monat und weitere Beihilfen, zudem die rentenrechtliche Anerkennung als Erziehungszeit. Trotzdem spricht Epp von »halbehrenamtlicher Tätigkeit«. Denn der Pflegedienst will keine Eltern, die Pflege in erster Linie übernehmen, um damit Geld zu verdienen.
Für die Stadt haben Pflegefamilien einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber stationärer Unterbringung, die monatlich circa 3.700 Euro pro Kind kostet. »Der fiskalische Aspekt ist aber zweitrangig«, sagt Epp, »in erster Linie geht es um inhaltlich-fachliche Ziele«. Die Kinder seien einfach besser dran, wenn sie in ihre Ursprungsfamilie zurück können. Dies gelte jedoch nicht für alle Kinder: Diejenigen, die in ihrer Ursprungsfamilie traumatisiert wurden, können mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zurückkehren.
Weitere Informationen beim Jugendamt, Armin Förster, fon 51 2626