Von Harald ManningaIn Hof gibt es jedes Jahr eine »Retrospektive«. Da wird jeweils ein Regisseur besonders hervorgehoben, und dies Jahr hat es den Amerikaner John McNaughton getroffen. Neun seiner Filme wurden in Hof gezeigt. Der Name ist beim Publikum in Deutschland wohl verhältnismäßig unbekannt, auch wenn der eine oder andere Spielfilm von ihm hier auch gelaufen ist. »Sein Name ist Mad Dog« mit Bill Murray z.B.
Bill Murray und McNaughton haben viel zusammen gemacht, in so gut wie jedem großen Spielfilm, bei dem McNaughton die Regie hatte, ist Murray dabei. Aber wenn man hierzulande einen Film mit Bill Murray kucken will, tut man das halt wegen Bill Murray, und dann geht der Regisseur schon mal unter.
Hand aufs Herz: Wer weiß auf Anhieb, wer bei »Und täglich grüßt das Murmeltier« die Regie geführt hat? Harold Ramis wars. Und Hände hoch, wer weiß, was der sonst noch gemacht hat und mit wem?
Eben.
John McNaughton hat in seinem Leben (geboren 1949) schon viele Brotberufe ausgeübt, Schmuck verkauft, Boote gebaut, in Kneipen gearbeitet. Und mehr oder weniger nebenbei irgendwie rumgefilmt, Werbespots gemacht, für Regionalsender Beiträge geliefert. Dabei war er der Überzeugung, dass Video das Medium der Zukunft wäre. Oder jedenfalls das Fernsehen. So kann man sich irren, das Fernsehen hat das Kino nicht (noch nicht?) wirklich abgelöst. Und wie das dann manchmal so geht: Er hatte an einer TV-Serie über berühmte Massenmörder mitgearbeitet und wurde daraufhin angefragt, das Drehbuch für einen »low-budget« Horrorfilm über einen Massenmörder zu schreiben. Daraus entstand sein erster großer Spielfilm, »Henry, Portrait of a Serial Killer«, der für einigen Aufruhr sorgte.
Das Verbrechen als solches und der Verbrecher an sich sind (spätestens) seitdem McNaughtons bevorzugtes Thema. Wobei es dann doch gar nicht um das Verbrechen oder den Verbrecher geht, sondern mehr darum, »dass die Welt einfach verrückt und gefährlich ist. Es gibt da draußen solche Leute, Mörder, und wenns einen erwischt, na ja ...« So zitiert ihn der Katalog der Filmtage, und damit hat er ja wohl auch irgendwie Recht, die Leute gibts, und ob das immer so klar ist, ob das gut oder schlecht ist, das ist schon eine irgendwie berechtigte Frage. Am Ende hängts wohl doch vom Standpunkt ab, und auch der Standpunkte gibt es ja viele.
Eher unscheinbar sieht er aus. Keine wilde angegraute Mähne auf dem Kopf, eher nur ein bißchen unfrisiert um die Platte rum, keine irgendwie künstlerischen Klamotten auf dem Balg, auch kein Schal, nicht einmal eine Brille trägt er. Hollywood-Regisseure sind am Ende eben auch nur Leute, die ihren Job tun. Jedenfalls viele, vielleicht gar die meisten.
Und nicht die Schlechtesten.
Es wird Gründe haben, warum man »ausgerechnet« ihn für eine »Retrospektive« ausgewählt hat. Die Filme, die man in Hof zeigt, sind z.B. ja gar nicht so alt, alles ungefähr aus den Neunzigern, und die sind ja gar nicht so lange her. Er selbst ist im TV-Interview auch nicht ganz einverstanden damit: Das klingt ja so, als wäre er an sowas wie dem Ende seiner Karriere angekommen, und das ist McNaughton sicher noch lange nicht.
Er hat sich inzwischen nur wieder seinen Wurzeln, wie man das in solchen Fällen nennen muss, zugewandt und macht wieder mehr Fernsehn, denn da kann man eben mehr machen, auch in den USA, als in den Spielfilmfabriken, wo alles auf kommerziellen Erfolg an den Kinokassen schielt. Die großen Reißer waren seine Hollywood-Filme nicht unbedingt, jedenfalls nicht »weltweit«. Aber darauf scheint er auch keinen großen Wert zu legen, ihm ist es offenbar wichtiger, dass er zeigen kann, was er zeigen möchte. Und das macht seine Filme liebenswerter, als es ein großer Welterfolg vielleicht könnte.
Von daher (und nicht nur daher) dann doch ein kluger Zug, die Retro ihm gewidmet zu haben.