Webwecker Bielefeld: neugier01

Ich will ja nicht neugierig sein, aber... (03.11.2004)






... wie ist das eigentlich, wenn man als talentierte und frisch diplomierte Designerin auf Jobsuche geht? Das Journal fragte Oksana Melnitschuk.


Du hast eine Stelle gefunden, Glückwunsch! Was hast Du heute vor einer Woche über Deine nahe Zukunft gedacht?

Vor einer Woche habe ich noch nicht an meine Zukunft denken wollen.


Wie lange hast Du gesucht, wie viele Bewerbungen geschrieben, wie viele Klinken geputzt?

Gesucht habe ich zweieinhalb Monate. Dabei habe ich über 40 Bewerbungen verschickt.


Worüber hast Du während Deiner Jobsuche am meisten geflucht?

Sehr viele Unternehmen haben sich gar nicht gemeldet, keine Absage, keine Unterlagen zurückgeschickt. Am meisten habe ich mich geärgert, als eine Firma eine Diplom-Designerin suchte und bei der ich mich auch vorstellen durfte. Die wollten mich auch haben, erst mal für sechs Wochen als Praktikantin und dann Vollzeit für 400 Euro! Das Geld hätte nicht mal die Benzinkosten decken können. Und solche Anzeigen sehe ich immer wieder. Die heutige Lage wird vollkommen von den Arbeitgebern ausgenutzt. Sogar um einen Praktikumsplatz zu bekommen, musste ich drei mal zum Gespräch. Es wird so viel verlangt, wobei es ja eigentlich ein Praktikum ist, wo du was lernen willst und kein Geld bekommst. Na ja, diesen Praktikumsplatz für anderthalb Jahre habe ich auch nicht bekommen.

Dann wollte ich eine Ich-AG gründen, was nicht ging, weil ich noch nie gearbeitet habe. Man hat ein Diplom in der Tasche und man kommt nicht weiter, darüber habe ich mich jeden Tag geärgert! Ich habe mich auch als Verkäuferin zur Aushilfe beworben, vorübergehend, aber selbst so was zu kriegen war nicht einfach, ein paar Absagen habe ich auch erhalten.


Was fandst Du spannend an Deinen Marktrecherchen?

Dass es schlecht auf dem Markt aussieht. Dass sich auf eine Stellenanzeige, wo Grafik-Designer gesucht werden, ein Drittel Leute bewerben, die was ganz anderes gelernt haben. Es ist sehr schwer, das zu finden, was man sich während des Studiums vorgestellt hat.


Welche Deiner Eigenschaften hat Dir am stärksten geholfen, Dein Ziel zu erreichen?

Nicht aufgeben.


Hast Du einen Tipp für andere Berufsanfänger?

Lasst euch nicht ausnutzen und gebt nicht auf.


Wo finden wir Dich in zehn Jahren, wenn Du Deinen Traumjob machst?

Im meinem eigenem Büro. Ich möchte paar Jahre Berufserfahrung sammeln und mich dann auf jeden Fall selbständig machen.


Mal angenommen, eine gute Fee schenkt Dir drei Wünsche zur sofortigen Lieferung. Was bestellst Du?

Gesundheit für meine ganze Familie, Frieden und Gerechtigkeit.

Oksana Melnitschuk, 27, hat im Sommer 2004 ihr Diplom als Grafik-Designerin gemacht. Als Diplomarbeit entwickelte sie das Buch »Bielefeld-Chmelnizky«, für das sie Zwangsarbeiterinnen des Dritten Reiches in der Ukraine besuchte. Am 2. November hat Oksana als Grafikerin in einem Bad Salzuflener Betrieb angefangen.

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