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Napola (Fortsetzung)



Hier auf der Schule herrscht alles, was man erwarten darf. Herrenmenschenideologie, Führerverehrung, übelster Drill, Gehorsam bis aufs Blut, Bettwäsche »auf Kante« in den Spind, die ganze Palette. Menscheln tuts aber auch: Die Schüler tauschen beieinander kleine Dienstleitungen gegen Nachtisch und schlüpfrige Mädchenbilder gegen Leberwurstportionen ein. Natürlich gibt es auch die ganz großen Freundschaften, die so groß werden, wie es nur Männerfreundschaften sein können, weil Leiden verbindet und/oder blablabla. Und widerliche Intriganten kommen auch vor.


Ganz wie im richtigen Leben also. Auch BRD-Wehrdienstleistende werden wohl einiges wiedererkennen.


Es sind dann einfach die »Erfordernisse« innerhalb des ganz Normalen, die für die Wende sorgen: Die Schüler werden ein Mal zu einem echten »Einsatz« gerufen, können schon mal in Helm und Uniform zeigen, wie sehr sie dem Führer zu folgen bereit sind.


Gansel geht mit seinem Stoff ausgesprochen behutsam um. Erzählt sehr liebevoll und unprätentiös eine Geschichte. In der es über lange Strecke eigentlich nicht einmal eine echte »Entwicklung« gibt, die Hauptfiguren bleiben trotz aller Widernisse, die sie durchleben, doch lange Zeit lang einfach nur die, die sie vorher waren. Wenn sies überleben. Und spätestens an der Stelle wirds dem Zuschauer etwas beklommen: Damals war das eben so, und die Frage: »Wie hätte ich mich verhalten?« kriegt hier wieder neue Wucht. Allerdings auch ohne den moralischen Zeigefinger, den Nazi-Filme sonst gerne haben.


Eine starke Geschichte, die auch ungemein stark umgesetzt ist. Die Rollen sind durchweg nahezu fantastisch besetzt, besonders die beiden Hauptdarsteller überzeugen: Tom Schilling als feinfühlig-kunstsinniger Gauleiterssohn Albrecht, der immer darum bemüht ist, von seinem Vater endlich Anerkennung zu bekommen, und Max Riemelt als Boxtalent Friedrich, dem es »Anerkennung« genug ist, auf diese Eliteschule (»Elite«? Da war doch was, neulich erst?...) gehen zu dürfen, sind ein tolles Gespann in der Jungenfreundschaft, die sich zwischen ihnen auf der Schule entwickelt. Ein tolles Gespann gerade in ihrer Gegensätzlichkeit. Und eben: Alles »ganz normal«, wer heute Karriere machen möchte, hätte in einem Internat auch keine groß anderen Probleme.


Auch der Ton ist außergewöhnlich gut gelungen. Ohne übermäßig laut zu sein, nimmt er den Zuschauer doch schnell gefangen, und in einigen Szenen, etwa bei Friedrichs erstem KO-Schlag, ist es, als wäre man wirklich leibhaftig dabei.


Ein »Nazi-Film«, der nicht auf die Tränendrüse drückt, nicht irgendwelche Schuld verteilt, nicht das tut, was Nazi-Filme eben sonst gern tun. Man merkt: Hier ist ein »Enkel« am Werk, die dritte Generation nach »dem Krieg« übernimmt jetzt die »Vergangenheitsbewältigung« und entwickelt ihren ganz eigenen Blick auf die »jüngere deutsche Geschichte«. Gut so.