Ungewohnte Post erhalten zurzeit StudentInnen, die in den Jahren 2000/2001 BAFöG erhalten haben. Die Bielefelder Polizei bestellt die betroffenen Studierenden zu einer Vernehmung ein, da diese als Beschuldigte in einem Betrugsverfahren gegenüber den Studentenwerk Bielefeld vernommen werden sollen.Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Bielefeld empfiehlt den Betroffenen, dieser Vorladung nicht unbedingt Folge zu leisten. Rechtliche Nachteile würden sich nicht ergeben. Vielmehr sollen sich die Betroffenen beim AStA melden sowie die BAFöG-Beratung, die Rechtsberatung des AStA oder einen Anwalt eigener Wahl in Anspruch nehmen, empfiehlt der AStA. Bindend sei lediglich eine Vorladung durch die Staatsanwaltschaft.
Anlass dieser polizeilichen Vorladungen ist ein Verdacht gegenüber allen BAFöG-EmpfängerInnen der Jahre 2000/2001, die damals einen Freistellungsauftrag bei ihrer Bank gestellt haben. Bei diesem Personenkreis muss das BAFöG-Amt nachträglich kontrollieren, ob sie unberechtigt Ausbildungsförderung erhalten haben. Allein in Bielefeld hatte das Studentenwerk, das mit den regionalen Aufgaben des BAFöG-Amtes betraut ist, 1.300 Fälle nachträglich zu kontrollieren. Die Hälfte der bislang 850 Kontrollierten wurde demnach zuviel oder unberechtigt Geld ausgezahlt. An Rückzahlungen hat das Studentenwerk bislang über zwei Millionen Euro erhalten. In 200 Fällen wurden die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, da angeblich ein Verdacht auf Betrug vorliegt.
Der AStA der Universität Bielefeld kritisiert das Vorgehen der BAFöG-Ämter, da viele StudentInnen zu Unrecht einer Straftat beschuldigt werden. In vielen Fällen hätten die Betroffenen nicht gewusst, dass sie mehr Vermögen besaßen als sie gegen-über dem BAFöG-Amt angegeben haben. Vielfach hätten Eltern oder Großeltern für die Kinder ein Konto eingerichtet, das ihnen mit Ende des Studiums geschenkt werden sollte. Diese Großzügigkeit stellt diese Studierende auf einer Stufe mit Kriminellen, erklärt der AStA. Die Aktion der Behörden sei »extrem überzogen«, zumal in den Jahren 2000/2001 noch die alte Regelung galt, dass Studierende maximal 6.000 DM auf der gespart haben durften. Dieser Höchstsatz galt seit 1977 und wurde 24 Jahre nicht verändert. »Wenn man allein die Inflationsrate berücksichtigt, merkt man schnell, wie realitätsfern die alte Regelung war«, betont Christine Göhde, Sozialreferentin des AStA.
Der neue Freibetrag liegt bei 5.200 Euro das Doppelte vom alten Satz. Allerdings ist dieser Satz für Christine Göhde nicht ausreichend, da jeder Studierende in der Lage sein sollte, mit selber gesparten oder geschenkten Geld seinen Studienabschluss zu finanzieren. Dies kann notwendig sein, wenn beispielsweise die förderungswürdige Zeit abgelaufen ist oder man Beurlaubt ist. Der Betrag sollte ihrer Ansicht nach mindestens für drei Semester reichen was 15.000 Euro entspricht.
Der AStA fordert, dass dieser Freibetrag auch rückwirkend angewendet wird. Sinn des BAFöG ist es, Studierende bei ihrem Studium zu unterstützen, nicht zu kriminalisieren. Außerdem befürchtet der AStA, dass auch in Zukunft viele StudentInnen unwissentlich zu BetrügerInnen gebrandmarkt werden. So musste das Bielefelder BAFöG-Amt seine Beratungszeiten auf einen Tag reduziert, um die alten Akten überprüfen zu können. So wird effektiv eine gründliche Beratung vermieden, die angesichts der komplexen Antragsformulare absolut notwendig ist.
Außerdem empfiehlt der AStA allen Angehörigen von StudentInnen, diesen mitzuteilen, ob sie in deren Namen ein Konto eingerichtet haben und wie groß das Guthaben ist. Die BAFöG-Ämter werden nach Ansicht des AStA in Zukunft die Vermögensverhältnisse von AntragstellerInnen überprüfen.
Die Rechtsberatung des AStA findet dienstags in der Zeit von 14:00 bis 15:30 Uhr und Donnerstags von 12:15 bis 13:45 Uhr in der Universität in C2-118 statt. Die BAFöG-Beratung ab den 08. August jeden Dienstag von 12:00 bis 17:00 Uhr in C1-166 statt