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Der Blick wird immer kürzer (Teil 2)



Viele Menschen seien nur noch mit narrativen Strukturen zu erreichen. Will sagen: Um harte Nachrichten, trockene Fakten, zu vermitteln, bedarf es einer kleinen Geschichte, in die die harte Nachricht zwecks besserer Verdaulichkeit eingebaut wird. Ein Trend, dem Journalisten folgen müssen, ob sie wollen oder nicht.

Hinter der ganzen Medienwelt stehen weltweit nur noch fünf große Medienkonzerne: eines davon heißt Bertelsmann und sitzt mitten in der Provinz, in Gütersloh. Bertelsmann ist größter Buchverleger und Anbieter von Privatfernsehen in Europa. Eine deutliche monopolistische Tendenz. Springer beispielsweise besitzt inzwischen 23 Prozent des deutschen Zeitungsmarktes.

Gerade die Zeitungsbranche hatte in den vergangenen Jahren schwer zu kämpfen: In Deutschland wurde ein Fünftel aller Stellen gestrichen. Ein wesentlicher Grund: sinkende Anzeigeneinnahmen. Bemerkenswert: Die ›Süddeutsche Zeitung‹ brachte kürzlich einen kritischen Artikel über den Lebensmittelkonzern Aldi, der zog darauf hin seine wöchentliche Anzeige aus der ›Süddeutschen Zeitung‹ zurück. Hier wurde deutlich, unter welchem wirtschaftlichem Druck die Medien stehen. Die meisten sind abhängig von Werbekunden, die großes Interesse an positiven Artikel über ihr Unternehmen haben. Weniger Mitarbeiter, große Abhängigkeit von den Anzeigenkunden: Im Resultat kommen immer mehr PR-Meldungen in die Medien.

Auch Politiker haben ein großes Interesse an gefälligen Medien. Der ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine, wollte ein Mediengesetz erlassen, »mit dem er die Presse knebeln wollte«. Die Repressionsschiene ist in Deutschland aber die, die den geringeren Erfolg verspricht. Inzwischen lassen sich Politiker lieber auf Medienformen ein, die ihr Image fördern. Politiker müssen heutzutage telegen sein, die Klaviatur der Inszenierung im rechten Licht beherrschen. Eine Gesellschaft voller Pseudoevents, Kleinsteuber spricht von einer »Mediokratie«. »Wer hier als Politiker überleben will, muss sich darauf einlassen«.

Aus der Perspektive der Medien wird rastlos daran gebastelt, Events zu konstruieren. ›Florida-Rolf‹ war ziemlich schnell in aller Munde, auch bei denjenigen, die nicht ›Bild-Zeitung‹ lesen. Denn die Kampagne, bei der es um jemand ging, der in Florida lebte und von einem Sozialamt in Deutschland Sozialhilfe bekam, wurde kräftig hochgeschrieben. Am Ende beugte sich die Politik und änderte ein Gesetz, auf das Deutsche im Ausland zukünftig keine Sozialhilfe mehr bekommen.

Fernsehen sei ein Unterschichtmedieum, die Fernbedienung häufig das einzige Steuerungsinstrument, stellt Kleinsteuber fest. Gegenmodelle gibt es wenige. Technisch dazu in der Lage, Kommunikation interaktiver zu machen, wäre das Internet. »Internet hat eine niedrige Zugangsschwelle. Mit wenig Technik lassen sich Informationen ins Netz stellen«, sagt Kleinsteuber. Daraus leitet Kleinsteuber eine Nähe zwischen Online-Medien und Zivilgesellschaft ab. Doch in diesen Bereich interaktiver Medien fließe zu wenig Geld. Politische Bildung habe die Aufgabe, »Zusammenhänge schonungslos und kritisch offenzulegen«, meint Kleinsteuber.

Eine Aufgabenstellung, die die politische Bildung mit dem Journalismus verbindet. So können politische Bildung und Journalismus idealerweise Hand in Hand gehen. BürgerInnenmedien sorgen für eine andere Öffentlichkeit, weil sie andere Themen setzen oder vorhandene anders beleuchten. Sie tragen damit auch einer Forderung Kleinsteubers Rechnung, dass Medien sich inhaltlich unterscheiden müssen. Denn die Gleichmachungstendenz der großen Medien ist zugleich offensichtlich. Bürgermedien und öffentlich-rechtliche Medien müssten gestärkt und geschützt werden, der ›public service‹ erhalten bleiben, fordert Kleinsteuber weiter.

Die Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben NRW im Netz: www.arbeit-und-leben-nrw.de