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Nachtreise durch Bielefeld (23.06.2004)



Von Manfred Horn

Trotz des Fußballsspiels Deutschland gegen Lettland waren die drei Touren voll, über 200 BesucherInnen wollten die zweite Nachtreise der Bielefelder Freien Theater sehen. Eine gute Wahl: Das Fußballspiel war schlecht, die Tour hingegen spannend.

Die ZuschauerInnen wurden begleitet durch etliche Spielstätten freier Theaterkunst geführt. Die einzelnen Häuser zeigten jeweils Ausschnitte aus ihren Programmen. Zwischen den Orten wurden die BesucherInnen unterhaltsam geführt. Sie wurden auf drei Touren aufgeteilt, einfach weil die Publikumskapazität der Häuser begrenzt ist.

Wer beispielsweise die Tour B wählte, ging am ›Forum für Kreativität und Kommunikation‹ los. ›Kleine Welten, große Welten‹, hieß es dort. Ein Stück der Theatergruppe Götterspeise. Neun AkteurInnen mit und ohne Handicap kreisen um das unheimliche Thema Heimat: Vereinzelt und gemeinsam erleben sie Zu Hause, zeigen ihre Heimstätte. Eine Theatercollage, die vom alltäglichen Leben, institutionellen Zwängen und Träumen erzählt. Weiter gings zu den Puppen, reisebegleitet von einer Gruppe der Landesarbeitsgemeinschaft und Spiel: Die sperrte mit weiß-roten Bändern und unter Einsatz ihrer wertvollen Leben die Straßen, damit die Tour-Gruppe sicher zu Fuß in der Ravensburger-Straße ankommt.

Die ›Dagmar Selje Puppenspiele‹ und die ›Thomas Niekamp Theater Company‹ zeigten dann gleich mehrere Ausschnitte, Thomas Niekamp unter anderem Beggar’s Opera und ›Aucassin & Nicolette‹. Witzige und mit großem Können hergestellte Figuren unterhielten die BesucherInnen. Draußen wartete schon Reisebegleitung Clowin Luisa im orangenen Dirndel und mit Klappfahrrad. Die animierte U-Bahnfahrt führte die Gruppe zum Alarmtheater. Dort zeigte die junge Bühne des Theaters ›Nachtschwärmer‹. Drei junge Frauen werden erwachsen und schwärmen aus. Das Stück hatte gerade Premiere und ist am kommenden Wochenende – 25. und 26. Juni jeweils 20 Uhr – in Gänze im Alarmtheater zu sehen.

Das Tunnel-Theater war ganz auf den Schuh gekommen: Die freie Theatergruppe begleitete die Tour bis zum ›Mobilen Theater‹ in der Feilenstraße und ließ auf dem Weg keine Gelegenheit aus, die spielerischen Möglichkeiten des Schuhs zu demonstrieren. Das Mobile Theater, im vergangenen Jahr stolze 25 Jahre alt, zeigte Ausschnitte aus ›Oh moon of Alabama‹, ein abendfüllendes Musical mit Bezug auf Brecht und Weill. Das ›Trotz-Alledem-Theater‹, auf der gleichen Bühne in der Feilenstraße zu Hause, zeigte Ausschnitte aus ›Tine und die Tortentante‹. Tante Gertrud ist schon ein bisschen ekelig und jetzt kreuzt sie auch noch zu Tine’s Geburtstag auf.

Heinz Flottmann führte die Gruppe dann an Bord eines Reisebusses zur Theaterwerkstatt Bethel. Ebenso wie die beiden Puppentheater war die Theaterwerkstatt in diesem Jahr erstmals Bestandteil der Tour. Gezeigt wurden kleine Ausschnitte, unter anderem ›Medicopter Live‹, eine gekonnte Ironisierung ähnlich-klingender TV-Shows.

Schließlich kam die Gruppe im Theaterlabor an. Dort lag Thomas Behrend, Schauspieler des Theaterlabors, ›sieben Jahre im Koma‹, erwachte aber, als die ZuschauerInnen den Saal füllten. Ein nicht-alltägliches Solo-Stück über die Schwierigkeiten, einen Alltag zu bewältigen.

Wie bereits im vergangenen Jahr präsentierte die Tour einen Einblick in die vielfältige Theaterszene in Bielefeld. Gerade für die BesucherInnen, die dort nicht so häufig verkehren, ein Gewinn. Theater findet nicht nur auf den großen Bühnen des Stadttheaters statt. Mit nahezu sechs Stunden Programm ist allerdings wohl eine Grenze erreicht, wollen die Theater die BesucherInnen nicht überfordern. Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung der Geschichte der Nachtreise.

Eine Fotostrecke (Größe: 680 KB) zur Nachtreise der freien Theater finden Sie auf der nächsten Seite