Kampf ums Konzept (Teil 2)
Diesen Vorwurf hatte ihm ein Disziplinarverfahren gegen den Leiter des für Drogendelikte zuständigen Kriminalkommissariats, Manfred Hudalla eingebracht. Interessant dabei ist, dass der Sozialdemokrat Kruse von einem CDU-Rechtsreferendar in Düsseldorf angezeigt wurde. Hintergrund des Disziplinarverfahrens gegen Hudalla ist dessen Behauptung, dass die Polizeiführung Ermittlungen gegen Drogenabhängige und Dealer in der Anlaufstelle behindert habe. Unter anderem sagte Hudalla als Zeuge in einem Prozess aus, dass er die aktuellen Drogenpreise nicht kenne, da man schon länger nicht mehr in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße ermittle. Für Kruse beschädigt diese Aussage das Ansehen der Polizei, außerdem habe Hudalla von seinem Diensttelefon aus mit Pressevertretern gesprochen.
Auf die Vorgänge rund um Hudalla gingen Heinz Haubrock und Uwe Gebranzig in ihren Einlassungen am dritten Prozesstag am vergangenen Dienstag ausführlich ein. Haubrock, zweiter Mann hinter dem Polizeipräsidenten, gab in seiner mehr als vierstündigen Rede Einblicke in die Organisation der Bielefelder Polizei. Er habe keine Möglichkeit in Ermittlungen einzugreifen, so der Leitende Polizeidirektor. Anzeigen und ähnliches bekäme er gar nicht auf den Tisch, sie gingen von der Registratur im Polizeipräsidium direkt an die zuständigen Kommissariate. Die würden eigenverantwortlich ermitteln.
Das tat Drogenkommissar Hudalla auch immer wieder. So ließ er im Herbst 1998 ein Dealgeschäft auf dem Gelände in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße filmen. Haubrock wies Hudalla, als der ihm den Film zeigte, darauf hin, dass sein Vorgehen gesetzeswidrig gewesen sei. Für Aufnahmen von außen in »allseits umschlossene Raumgebilde« sei ein richterlicher Beschluss oder die Genehmigung der Maßnahme zur Gefahrenabwehr durch den Behördenleiter nötig. Beides hatte Hudalla nicht. In der Besprechung wies Haubrock den Kommissar daraufhin an, den Film im Kommissariat aufzubewahren. Der gab ihn jedoch an Oberstaatsanwalt Kahnert weiter.
Haubrock erzählte auch von anderen Besprechungen mit dem Leiter des Rauschgiftkommissariats. Immer wieder habe der moniert, dass »es nicht erwünscht sei, auf dem Gelände in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße zu ermitteln.« Haubrock beschrieb vor Gericht seine Versuche Hudalla klar zu machen, dass solche Ermittlungen sogar seine Pflicht sind. Mehrmals habe er ihm die »Führungs- und Einsatzkonzeption« des sogenannten Bielefelder Modells erklärt. Die sieht vor, die Drogenszene durch Repression gegen Dealer zu reduzieren. Auf der anderen Seite soll die Drogenszene an einen sozial verträglichen Ort mit niedrigschwelligem Angebot verdrängt werden. Dieses Konzept steht in Einklang mit einem Erlass des Innenministeriums vom Juni 1997 zum Umgang mit Drogen in Nordrhein-Westfalen.
Der sieht drei Arbeitsfelder für die Polizei in NRW vor: Sie soll vor allem gegen die organisierte Rauschgiftkriminalität vorgehen. Bei der allgemeinen Rauschgiftkriminalität definiert der Erlass die Verfolgung von Straßenhändlern als Ziel der Polizeiarbeit. Zum Umgang mit Drogenkonsumenten heißt es in dem Erlass: »Konsumenten illegaler Drogen bilden grundsätzlich keine Zielgruppe polizeilicher Ermittlungen.« Als drittes Arbeitsfeld gibt er die Bekämpfung einer offener Drogenszene vor, sie soll von flankierenden Maßnahmen der Kommunen begleitet werden. Insgesamt geht es dem Innenministerium vor allem darum, die polizeilichen Ressourcen auf den Drogenhandel zu konzentrieren.