Videoüberwachung in Mannheim rechtens (Teil 3)
Die Regelung wahre auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diesem komme besondere Bedeutung zu, weil die Vorschrift nicht an ein störendes Verhalten des Betroffenen anknüpfe, vielmehr von der Videokamera unterschiedslos alle Personen erfasst würden, die sich in ihrer Reichweite aufhielten. Eine solche Datenerhebung im Vorfeld konkreter Gefahren zur Verhinderung und vorbeugender Bekämpfung von Straftaten (Gefahrenvorsorge) sei nur bei besonderer Rechtfertigung zulässig. Demgemäß lasse die Vorschrift ein großflächiges oder flächendeckendes Überwachungssystem, etwa nach dem Vorbild Londons, nicht zu. Sie sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass sich ihr Anwendungsbereich auf Örtlichkeiten mit einer besonderen Kriminalitätsbelastung, sog. Kriminalitätsbrennpunkte" beschränke. Letztlich bedeute dies eine Begrenzung der Maßnahme auf wenige Örtlichkeiten in Baden-Württemberg.
Mit der Anordnung und Durchführung der Videoüberwachung in der Mannheimer Innenstadt habe das Polizeipräsidium Mannheim von der gesetzlichen Ermächtigung rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Qualifizierung einer Örtlichkeit als Kriminalitätsbrennpunkt setze eine ortsbezogene Lagebeurteilung voraus, die eine Bewertung der bestehenden und eine Prognose der zukünftigen Gefährdungs- bzw. Kriminalitätssituation an dem fraglichen Ort einschließe. Diese unterliege voller gerichtlicher Kontrolle. Ein Beurteilungsspielraum der Exekutive sei nicht anzuerkennen.
Die Qualifizierung des videoüberwachten Bereichs in Mannheim als Kriminalitätsbrennpunkt sei gerechtfertigt. Den von dem Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen lasse sich entnehmen, dass die Kriminalitätsbelastung der überwachten Örtlichkeiten sich insbesondere im Hinblick auf die mit der Maßnahme vorrangig zu bekämpfende Straßenkriminalität (Raub, Körperverletzung, Betäubungsmitteldelikte, Sachbeschädigung, Sexualdelikte, Diebstahl, insb. Taschendiebstahl, u.ä.) deutlich von der anderer Orte im Stadtgebiet Mannheims abhebe. Aus den Erhebungen des Polizeipräsidiums Mannheim ergebe sich, dass der überwachte Bereich mit einem Anteil von zwischen einem Drittel und einem Viertel an der Straßenkriminalität in der Mannheimer Innenstadt eine deutlich erhöhte, überproportionale Kriminalitätsbelastung aufweise. Soweit der Kläger die Berechnungsmethode des Beklagten beanstande und auf eine Relation zwischen Kriminalitätsaufkommen und Zahl der Passanten oder Einwohner abhebe, verkenne er den räumlichen Bezug, auf den die gesetzliche Regelung abziele. Auch der Einwand, die Delikte des Taschendiebstahls könnten mit der Videoüberwachung nicht bekämpft werden und müssten deshalb bei der Einstufung eines Ortes als Kriminalitätsbrennpunkt außer Betracht bleiben, gehe fehl. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass gerade diese Kriminalität im videoüberwachten Bereich erheblich zurückgegangen sei. Auch an der vom Gesetz geforderten Offenheit der Überwachungsmaßnahme bestünden angesichts der Öffentlichkeitsarbeit des Beklagten und der Stadt Mannheim sowie mit Blick auf die angebrachten Hinweisschilder keine durchgreifenden Zweifel. Zwar habe der Beklagte einräumen müssen, dass an einigen wenigen Stellen der Übergang in den videoüberwachten Bereich nicht mit Hinweisschildern kenntlich gemacht sei. Hieraus könne jedoch der Kläger, dem aufgrund des vorliegenden Verfahrens die räumlichen Grenzen des überwachten Bereichs im einzelnen bekannt seien, für sein Unterlassungsbegehren nichts herleiten. Der Beklagte habe schließlich auch von dem ihm in § 21 Abs. 3 PolG eingeräumten Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Soweit der Kläger geltend mache, dass die Videoüberwachung ein abstraktes Gefühl des Registriertwerdens" auslöse und deshalb das Aufsuchen von Informationsständen erschwere, könne der Senat eine Verletzung des Grundrechts der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG) nicht feststellen.