Mit Sicherheit nicht mehr Sicherheit (Teil 2)
Umstritten endete auch ein Überwachungsmodellversuch in Bielefeld, wo vom Februar 2001 bis März 2002 im Pilotversuch Kameras zur Überwachung eines sogenannten »Kriminalitätsschwerpunkts« aufgebaut wurden. Während das NRW-Innenministerium auf die »erfolgreichen Zahlen« verwies und sich in der Umsetzung in ein verschärftes Gesetz bestärkt sieht, bemerken Datenschützer, dass die Zahl der Straftaten im Zeitraum der Kamerainstallationen sogar um 50 Prozent anstieg, von sechs Straftaten im Jahr 2000 auf neun Straftaten im Jahr 2001. Die Zahl der Delikte sei bereits vor Einführung der Kameras zurückgegangen, weil bereits im Jahr 2000 auf dem Pilotprojekt-Gelände Ravensberger Park Sträucher zurückgeschnitten worden seien und neue Beleuchtung installiert worden sei. Gleichzeitig seien in der Stadt die Angebote für Alkohol- und andere Suchtkranke deutlich verbessert worden: Damit sei die Notwendigkeit verringert worden, sich im Park aufzuhalten.
Umstritten ist, ob bei einer derart geringen Zahl von Straftaten überhaupt von einem Kriminalitätsbrennpunkt gesprochen werden kann. Nur circa 0,2 Prozent der in Bielefeld verübten Straftaten finden in diesem Park statt. Die geringe Zahl der Straftaten war für den Gutachter Klaus Boers vom Institut für Kriminologie der Universität Münster Grund zu sagen, eine Evaluation könne es nicht geben, da nicht genügend Zahlen vorliegen.
Nach den Plänen der SPD soll die Videoüberwachung nunmehr nahezu schrankenlos ermöglicht werden. Die Beschränkung auf »Straftaten von erheblicher Bedeutung« wird aufgegeben, Aufzeichnungen können dann bis zu einem Monat gespeichert werden. Nach geltendem Recht ist lediglich dann eine Aufzeichnung von Videoaufnahmen an Kriminalitätsschwerpunkten möglich, wenn diese zur Strafverfolgung benötigt werden. Innenminister Fritz Behrens hofft vor allem auf eine abschreckende und damit vorbeugende Wirkung.
Die Bürgerrechtler sprechen sich ebenso gegen die Rasterfahndung aus. Allein in NRW wurden im Zuge der Rasterfahndung nach den Anschlägen vom 11. September die Daten von fünf Millionen Männer erhoben. Trotzdem hat dies weder in NRW noch in einem anderen Bundesland zu keinem einzigen Fahndungserfolg geführt. Für die Bürgerrechtler ist es unverständlich, warum die SPD dieses »ineffiziente, ungeheuer teure und aufwändige polizeiliche Mittel nunmehr auch noch ausweiten will«. Unzutreffend sei auch, dass die geplanten Verschärfungen des Polizeigesetzes, wie in dem SPD-Papier behauptet, eine Anpassung an Vorgaben der Rechtssprechung darstellten. Vielmehr hätten Gerichte wie das Oberlandesgericht Düsseldorf die Rasterfahndung weitgehend für rechtswidrig erklärt.
Auch die »Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen« lehnte bereits im April 2003 die Positionen ihrer eigenen Regierungsmitglieder, allen voran Ministerpräsident Steinbrück und Innenminister Behrens, ab. Es müsse nachgewiesen sein, dass die vorgesehenen Maßnahmen »notwendig tauglich und verhältnismäßig« sind und dass sie bei »möglichster Schonung der Bürgerrechte mit vertretbaren Kosten eine deutliche Steigerung der Effizienz der Gefahrenabwehr mit sich bringen«. Diesen Nachweis vermisst die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft bis heute. Bei der Ausweitung von Platzverweisen durch die Polizei auf bis zu drei Monaten für eine ganze Gemeinde oder ein ganzes Stadtgebiet sei noch nicht einmal der »Versuch eines Belegs« zu erkennen.