Gehör finden sollten die Aussagen der Studierenden dennoch. Neben mangelnden Informationen und Raumproblemen beklagen die auch die Gestaltung der Lehrveranstaltungen. Sie sollten interaktiver gestaltet werden, fordern die Studierenden, die sich über zuviel Passivität auf Seiten der Wissensempfänger. Interaktivität wird allerdings schwierig, wenn 200 Studierende in einem Seminar sitzen. Und das müssen sie auch alle, weil für die Bachelorstudierenden Anwesenheitspflicht gilt. Nur dann kriegen sie die ersehnten Leistungspunkte oder Creditpoints, 120 davon müssen sie in ihrem Kernfach bis zum Abschluss hamstern, 60 im Nebenfach. Dabei entspricht ein Leistungspunkt 30 Arbeitsstunden, insgesamt sollen die Studierenden nach dem Willen der Initiatoren des Modellversuchs in den drei Jahren jeweils 45 Wochen á 40 Stunden studieren. Diese Forderung hat allerdings mit studentischer Realität wenig zu tun, da viele Studierende neben dem Studium arbeiten müssen.
Als relativ realitätsfern erwies sich auch, dass in der letzten Woche des Semesters viele Prüfungen abgelegt werden müssen. Sie ersetzen die Abschlussprüfungen, die Abschlussnote soll sich aus sämtlichen im Studium erbrachten Leistungen zusammensetzen. Und das sind viele, im Fach Geschichte etwa werden je nach gewähltem Profil bis zu 25 benotete Einzelleistungen in sechs Semestern gefordert. Die Prüfungen bestehen zum Teil aus umstrittenen Multiple Choice Tests, da den Lehrenden eine Korrektur anders kaum möglich wäre.
Die Zahl der Prüfungen sehen auch die Lehrenden als problematisch an. »Die Arbeitsbelastung der Studierenden ist durch die studienbegleitenden Prüfungen gestiegen und aus Sicht der Lehrenden in Einzelfällen zu hoch«, fasst ein Papier des HIS die Meinung der Lehrenden zusammen. Auch die monieren, dass der Modellversuch zu schnell eingeführt wurde. So gab es zum Semesterstart noch nicht einmal Formulare für Leistungsnachweise. Auch der Informationsfluss wird bemängelt: »Fehlende zentrale Vorlagen seitens der Hochschulleitung und nicht vorhandene Info-Materialien zum allgemeinen Aufbau des Bachelor-/Masterstudienganges bedingten aus Sicht der Lehrenden einen chaotischen Studienstart«, heißt es in dem HIS-Papier. Die Philosophen können dem jedoch auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Der Informationsmangel hätte dazu beigetragen, »eine gewisse Kreativität zu entfalten, die vorher nicht vorhanden war.«
Die Lehrenden äußerten auch Vorbehalte gegenüber der Studienstruktur: »Eine straffere und verschulte Lehrorganisation im Zuge des Modellversuches verhindert, dass die Studierenden eigene Interessen entwickeln und neugierig Freiräume im Studium entdecken«, so die Lehrenden. Positv ist aus ihrer Sicht an dem Modellversuch, dass durch ihn inhaltliche Reformen angestoßen worden seien.
Unterschiedlich beurteilten die Lehrenden eine der Zielsetzungen der gestuften Studiengänge: Die Studierenden sollten sich nicht wie bisher bereits bei Studienstart entscheiden, ob sie eine wissenschaftliche Laufbahn oder den Schuldienst anstrebten, da diese Festlegung erst mit dem Masterstudium stattfinden sollte. Auch die Entscheidung für eine Schulstufe solle erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen, so das Ziel. Die Realität sieht jedoch anders aus: »In einigen Fächern (z.B. der Mathematik) ist es aus inhaltlichen Gründen nicht möglich, ein einheitliches Angebot für alle Schulstufen anzubieten«, fand das HIS heraus.
Die Evaluatoren haben aber durchaus Verständnis für die Probleme des Modellversuchs: »Das ist eben das Kennzeichen des Modellversuchs, dass noch nicht alles fertig ist«, soReiner Reisert vom HIS. Learning by doing eben. Eines hat Rektor Dieter Timmermann auf jeden Fall durch die Probleme des ersten Semesters gelernt. »Wir haben die Fakultäten gebeten, jetzt schon zum Wintersemester mit der Vorbereitung der Masterphase zu beginnen, damit das nicht so holterdipolter geschieht, wie das jetzt mit dem Bachelor war, das muss man ganz nüchtern so sehen«, gesteht Timmermann ein.