Von Harald Manninga
Sei es gleich am Anfang gesagt: Die »Story« des Films ist
eher belanglos verzogenes Söhnchen eines Bosses der Mafia (oder Triaden? Na ja,
was die da auf dem Gebiet halt an organisierter Kriminalität so haben) in Hongkong
macht mit der Geliebten eines Konkurrenten seines Vaters rum. Der kriegt das
mit und ist sauer, verlangt Genugtuung, und das ist in dem Fall wirklich
heftig: Beide Hände soll das Söhnchen opfern! Nu muss es/er also erstmal ins
Exil, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Nuja: Andere Länder, andere
Sitten.
Aber das hat man ja nicht unbedingt selten, dass aus einer
mageren Geschichte dann doch ein wunderschöner Film werden kann. Bruce Lee und
Jackie Chan sind ja auch nicht vor allem wegen der Feinsinnigkeit der
Erzählung zu weltberühmten Filmikonen geworden.
Das großmäulige und verzogene Söhnchen also kommt in
Landverschickung nach Taiwan in die Berge, wo der sprichwörtliche Hund derart
verfroren ist, dass man annehmen könnte, er wäre noch nicht einmal da vorbeigekommen,
um sich dort tot übern Zaun zu hängen. Dies ist andererseits aber wohl der
ideale Ort für ein Zen-Kloster, das sich beim Söhnchen eines gelangweilten Morgens
durch ungewöhnliche Klänge bemerkbar macht, die von den Hängen widerhallen.
Denen geht es bzw. er (übrigens gespielt von Jaycee Chan, Sohn des schon
erwähnten Jackie Chan und seinerseits auf dem Weg zu einer wohlverdienten Weltkarriere
als Schauspieler und Musiker) nach und trifft auf eine Gruppe mönchischer Trommler.
Buddhismus kann also offenbar auch laut sein, denn der Weg
zur inneren Läuterung führt eben doch nicht immer nur allein durch Stille, Selbstkasteiung
und Kontemplation, obwohl auch die nicht zu kurz kommen. Dieser Weg hat vor
allem mit dem Herzen zu tun, und das ist auf vielfältige Weise anzusprechen.
Nun ist welch grandioser Drehbuch-Zufall, den man aber
wirklich nicht krumm nehmen darf Söhnchen zu Hause in Hong Kong selbst als
Schlagzeuger einer Rockband unterwegs und sofort fasziniert von dem, was er da
sieht. Er möchte mitmachen, und man lässt ihn auch. Allerdings nicht ohne eine
Reihe »Prüfungen«, die (man ahnt es, das macht aber nichts) ihn zu einem neuen
Menschen machen.
Lässt man das Geschichtchen ein wenig außer Acht und sich stattdessen
auf den Gang der Bilder und Klänge (sowie der schauspielerischen Leistung
eigentlich aller Beteiligten) ein, wird aus diesem Film (Buch und Regie: Kenneth
Bi) ein Kinoerlebnis der größeren Art. Das wusste auch der deutsche Verleiher (»Neue
Visionen«) und hat deshalb (?)darauf verzichtet, die Sichtungs-DVD als deutsch synchronisierte
oder auch nur untertitelte Version an die Presse herauszugeben: Das braucht man
gar nicht, der Film wirkt auch so.
Eigentliche Hauptdarsteller sind nämlich eben die Trommeln und
die Leute, die sie bedienen. Eine bloße Aufnahme eines Auftritts des »U Theatre«,
das mit seinen überwältigenden Konzerten die ganze Welt bereist und das
Publikum begeistert, wäre aber kein spannender Film geworden. Der Die Reise
des chinesischen Trommlers am Ende nämlich dann doch ist; völlig
unkommentiert verstünde man das Ganze vielleicht wohl nicht, und als Kommentar ist
die zwar etwas dürre »Story« dann doch eine schöne Beimengung und Anreicherung.
Die Reise des chinesischen Trommlers (Hong
Kong/Taiwan/Deutschland 2007, 117 Min.) von Kenneth Bi startet bundesweit (und auch
in Bielefeld im »Lichtwerk«) am 01.01.09.
Die Soundtrack-CD ist ab dem 02.01. zu haben. Freunde des »reinen«
Klangs seien jedoch gewarnt: Die Trommelklänge werden auch im Film durch die
zwar hervorragende, aber dennoch elektronische Überhöhung aus den Geräten und
Instrumenten des deutschen Komponisten Andre Matthias denn doch etwas »verfälscht«.
Allerdings scheint es auf dem deutschen Markt keine Konzertmitschnitte des U
Theatre zu geben. Das ändert sich nach dem Film ja aber vielleicht. Schön wär das.