Von Raphaela Kula
»Ich bin jedenfalls froh, dass du dich entschlossen hast, zu
kommen. Denn es müssen Entscheidungen gefällt werden, und ich wollte, dass wir
uns einig sind.« »Gegen wen?« sagte ich. »Gegen wen?« fragte er. »Es müssen
Entscheidungen gefällt werden, und ich wollte, dass du dich daran beteiligst.«
Bruder und Schwester treffen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen kommend
im Haus ihrer Großmutter, altersschwach und verwirrt. zusammen. Der
pragmatische und erfolgsgewohnte Bruder sieht die Situation realistisch, die
Großmutter muss aus ihrem Haus, ihre Sachen, eigentlich alles nur noch Zeug
ohne Wert, aufgeteilt werden.
Die Situation ist grotesk, die anwesenden
Angehörigen nehmen kaum Notiz von der anwesenden alten Dame, fangen in ihrem
Beisein an, die Leiche zu fleddern, obwohl noch keine da ist. Es ist spürbar,
alle bleiben in ihren eigenen Gedanken und Realitäten verhaftet, es gibt kaum
Verständigung noch ein ernstgemeintes Interesse aneinander.
Deborah Eisenberg gelingt es in dieser der deutschen Übersetzung
titelgebenden Erzählung reale Beziehungsgefüge bzw. Nicht-Verhältnisse eindrucksvoll zu skizzieren. Auch wenn sie
eine amerikanischen Schriftstellerin ist und sie in ihren Erzählungen prägnant
die aktuelle amerikanische Realität einfängt, Facetten ihrer Geschichten,
gerade dieser, sind sicherlich auch auf andere Wirklichkeiten übertragbar.
Sie bearbeitet auch die Angriffe vom 11. September aus einer
ganz eigenwilligen Perspektive: Im Rückblick auf den Beginn des neuen
Jahrtausends erinnert eine kleine Gruppe von Freunden die Zerstörung der Twin
Towers aus einem sehr luxuriösem, extravagantem Ambiente heraus, brutaler
Terrorangriff und glitzernde Designwelt treffen aufeinander.
Deborah Eisenbergs Erzählungen sind nicht einfach,
geschweige denn unterhaltsam, in jedem Fall aber spannend, hintergründig und
überraschend. Sie thematisiert das Unkontrollierbare, die zunehmende Gewalt,
die Unfähigkeit, Beziehungen herzustellen und zunehmende diffuse Angst in
jeglichen Lebenslagen. In jedem Fall lesenswert.
Deborah Eisenberg: »Rache der Dinosaurier«, Erzählungen,
218 Seiten, Hanser Verlag 2008