Webwecker Bielefeld: Virtuelle Räume (ab dem 25. Mai 2008)

Virtuelle Räume (ab dem 25. Mai 2008)



Das Foto zeigt den Künstler Richard Hamilton (Fotograf: Joachim Schmidt-Dominé).


In der Bielefelder Kunsthalle wurde am 25. Mai die Ausstellung Richard Hamilton »Virtuelle Räume« eröffnet.

Richard Hamilton, am 24. Februar 1922 in London geboren, zählt zu den wegweisenden Künstlern der Gegenwart. Er gilt nicht nur als Miterfinder der Pop Art,  sondern ist auch einer der ersten Künstler, die sich dem kontinuierlichen Studium der Mechanisierung und Digitalisierung von Bildern gewidmet haben. Bereits 1949 zerlegte er seine Motive, um ausgehend von Marcel Duchamps »Akt, eine Treppe herabsteigend« die Frage zu stellen, wie sich ein Gegenstand bei Bewegung verändert.

Anatomisch und perspektivisch korrektes Darstellen hat er im Alter von sechzehn Jahren an den Londoner Royal Academy Schools erlernt. Die Technik der Ingenieurszeichnung eignete er sich während des Zweiten Weltkriegs an. Seine anschließende Mitarbeit an kulturgeschichtlich aktuellen Ausstellungen wie »Growth and Form« 1951 im Londoner Institute of Contemporary Art beflügelte ihn zu einer individuellen Morphologie, die in den kommenden fünfzig Jahren neben dem Porträt vorrangig häusliche sowie technische Gegenstände umfassen sollte.

Durch die Ausstellungsprojekte »Parallel of Life and Art« und »Man, Machine and Motion« 1953 sowie »This is Tomorrow« 1956, in deren Rahmen Richard Hamiltons berühmte Collage mit dem Wort »Pop« erschienen ist, entpuppt sich Hamilton als akribischer Erforscher eines Bild-Universums.

Schon in den 1950er Jahren glaubte Hamilton, dass das binäre System die Voraussetzung schaffen würde, alle Motive darzustellen. Das digitale Zeitalter war für ihn geboren. Seit den frühen 1970er Jahren, seit es käufliche Computer gibt, greift Hamilton auf die fortgeschrittenste Hard- und Software zu, um seine eigenen Werke digital zu generieren. Mit den neuesten Bildprogrammen und Druckern beginnt er, sogar frühere Arbeiten zu verändern und ein weiteres Mal zu vervollkommnen.

Am Anfang steht seine eigene berühmte Pop-Collage von 1956, »Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing?«, die er aufgrund einer BBC-Anfrage 1994 aktualisiert. Das historische Blatt, das einen Mann, eine Frau und gefundene Bilder zu den Themen Geschichte, Essen, Zeitung, Kino, Fernsehen oder Comics zeigt, wird von ihm zunächst mit der banalen Postkarte eines einfachen spanischen Hotelzimmers hinterlegt. In diesen Raum, der von ihm maßstäblich angepasst wird, fügt er nach und nach zeitgemäße Gegenstände ein, bis »der Moment der Wahrheit« gekommen und das Kunstwerk in seinen Augen fertig ist.

Richard Hamiltons Ausstellung »Virtuelle Räume« zeigt nicht nur großartige Werkbeispiele aus den letzten fünfzehn Jahren. Sie dokumentiert, in welchem Umfang der 86jährige Künstler seit 1994 scheinbar einfache Bilder, zum Beispiel die Postkarte eines jungen japanischen Hochzeitspaars, aufgegriffen hat, um sie die Variationen erzähltechnisch wie erkenntnistheoretisch aufzuladen. Durch das ständige digitale Verändern werden Meisterwerke geschaffen. Trotz der Vollendung gibt es zu den Ergebnissen scheinbar immer noch Alternativen.

Seine neuesten Werke stellen sich ästhetisch beinahe auf eine Stufe mit der Renaissance. Gleichzeitig bekunden sie, dass sie in Zukunft anders zusammengesetzt werden könnten.

Unter dem Titel »Painting by Numbers« hat er 63 Alternativen zu besonders bekannten Drucken vorgestellt. Er zeigte abstrakte neben figurativen Lösungen oder Beleuchtungswechsel in einem Interieur. Einer seiner jüngsten Drucke, der digitale Inkjetprint »The Annunciation« aus dem Jahr 2005, hat sich später als Reflex einer weiteren Bilderserie, »A Host of Angels«, entpuppt. Sie wurde vom Künstler 2007 im Rahmen der Biennale von Venedig in der Fondazione Bevilacqua La Masa gezeigt.

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert mit mehr als achtzig Beispielen erstmals beide Werkgruppen Hamiltons zusammen, sowohl die 68 Drucke aus der fünfteiligen Werkgruppe »Painting by Numbers« von 1994 bis 2005 als auch die Leinwandserie »A Host of Angels«, bestehend aus vierzehn Bildern von 1993 bis 2007. Sie fügt ausgewählte Museumsleihgaben aus den 1990er Jahren hinzu und stellt Hamiltons allerneueste Werkgruppe der »Toaster« vor, die auf eine Inkunabel der Pop Art, seinen »Toaster« aus Metall, Holz und Papier von 1964 zurück geht.

Damit wird Richard Hamiltons Schaffen aus den vergangenen fünfzehn Jahren umfassend und äußerst zeitnah dokumentiert. In einem Begleitfilm erläutert Richard Hamilton seine Werke. Zu beiden Werkgruppen erscheinen in der Edition Hansjörg Mayer Einzelkataloge im Schuber in deutscher oder englischer Sprache.

Die Ausstellung Richard Hamilton »Virtuelle Räume« ist bis zum 10. August 2008 zu besichtigen. Die Kunsthalle ist täglich von 11.00 – 18.00 Uhr geöffnet. Mittwochs von 11.00 – 21.00 Uhr, samstags von 10.00 – 18.00 Uhr (montags geschlossen). Weitere Infos finden Sie hier.



Richard Hamilton: »Lobby« 1985/87, Öl auf Leinwand, 175 x 250 cm



Richard Hamilton: »Bathroom« fig. 1 II 1997/2004, Cibachrom auf Leinwand, 50 x 50 cm (Copyright: VG Bild-Kunst Bonn, 2008)