In der Bielefelder
Kunsthalle wurde am 25. Mai die Ausstellung Richard Hamilton
»Virtuelle Räume« eröffnet.
Richard
Hamilton, am 24. Februar 1922 in London geboren, zählt zu den wegweisenden
Künstlern der Gegenwart. Er gilt nicht nur als Miterfinder der Pop Art, sondern ist auch einer der ersten Künstler, die
sich dem kontinuierlichen Studium der Mechanisierung und Digitalisierung von
Bildern gewidmet haben. Bereits 1949 zerlegte er seine Motive, um ausgehend von
Marcel Duchamps »Akt, eine Treppe herabsteigend« die Frage zu stellen, wie sich
ein Gegenstand bei Bewegung verändert.
Anatomisch
und perspektivisch korrektes Darstellen hat er im Alter von sechzehn Jahren an
den Londoner Royal Academy Schools erlernt. Die Technik der Ingenieurszeichnung
eignete er sich während des Zweiten Weltkriegs an. Seine anschließende
Mitarbeit an kulturgeschichtlich aktuellen Ausstellungen wie »Growth and Form«
1951 im Londoner Institute of Contemporary Art beflügelte ihn zu einer
individuellen Morphologie, die in den kommenden fünfzig Jahren neben dem
Porträt vorrangig häusliche sowie technische Gegenstände umfassen sollte.
Durch
die Ausstellungsprojekte »Parallel of Life and Art« und »Man, Machine and
Motion« 1953 sowie »This is Tomorrow« 1956, in deren Rahmen Richard Hamiltons
berühmte Collage mit dem Wort »Pop« erschienen ist, entpuppt sich Hamilton als
akribischer Erforscher eines Bild-Universums.
Schon
in den 1950er Jahren glaubte Hamilton, dass das binäre System die Voraussetzung
schaffen würde, alle Motive darzustellen. Das digitale Zeitalter war für ihn
geboren. Seit den frühen 1970er Jahren, seit es käufliche Computer gibt, greift
Hamilton auf die fortgeschrittenste Hard- und Software zu, um seine eigenen
Werke digital zu generieren. Mit den neuesten Bildprogrammen und Druckern
beginnt er, sogar frühere Arbeiten zu verändern und ein weiteres Mal zu
vervollkommnen.
Am
Anfang steht seine eigene berühmte Pop-Collage von 1956, »Just what is it that
makes todays homes so different, so appealing?«, die er aufgrund einer
BBC-Anfrage 1994 aktualisiert. Das historische Blatt, das einen Mann, eine Frau
und gefundene Bilder zu den Themen Geschichte, Essen, Zeitung, Kino, Fernsehen
oder Comics zeigt, wird von ihm zunächst mit der banalen Postkarte eines
einfachen spanischen Hotelzimmers hinterlegt. In diesen Raum, der von ihm
maßstäblich angepasst wird, fügt er nach und nach zeitgemäße Gegenstände ein,
bis »der Moment der Wahrheit« gekommen und das Kunstwerk in seinen Augen fertig
ist.
Richard
Hamiltons Ausstellung »Virtuelle Räume« zeigt nicht nur großartige
Werkbeispiele aus den letzten fünfzehn Jahren. Sie dokumentiert, in welchem
Umfang der 86jährige Künstler seit 1994 scheinbar einfache Bilder, zum Beispiel
die Postkarte eines jungen japanischen Hochzeitspaars, aufgegriffen hat, um sie
die Variationen erzähltechnisch wie erkenntnistheoretisch aufzuladen. Durch das
ständige digitale Verändern werden Meisterwerke geschaffen. Trotz der
Vollendung gibt es zu den Ergebnissen scheinbar immer noch Alternativen.
Seine
neuesten Werke stellen sich ästhetisch beinahe auf eine Stufe mit der
Renaissance. Gleichzeitig bekunden sie, dass sie in Zukunft anders
zusammengesetzt werden könnten.
Unter
dem Titel »Painting by Numbers« hat er 63 Alternativen zu besonders bekannten
Drucken vorgestellt. Er zeigte abstrakte neben figurativen Lösungen oder
Beleuchtungswechsel in einem Interieur. Einer seiner jüngsten Drucke, der
digitale Inkjetprint »The Annunciation« aus dem Jahr 2005, hat sich später als
Reflex einer weiteren Bilderserie, »A Host of Angels«, entpuppt. Sie wurde vom
Künstler 2007 im Rahmen der Biennale von Venedig in der Fondazione Bevilacqua
La Masa gezeigt.
Die
Kunsthalle Bielefeld präsentiert mit mehr als achtzig Beispielen erstmals beide
Werkgruppen Hamiltons zusammen, sowohl die 68 Drucke aus der fünfteiligen
Werkgruppe »Painting by Numbers« von 1994 bis 2005 als auch die Leinwandserie
»A Host of Angels«, bestehend aus vierzehn Bildern von 1993 bis 2007. Sie fügt
ausgewählte Museumsleihgaben aus den 1990er Jahren hinzu und stellt Hamiltons
allerneueste Werkgruppe der »Toaster« vor, die auf eine Inkunabel der Pop Art,
seinen »Toaster« aus Metall, Holz und Papier von 1964 zurück geht.
Damit
wird Richard Hamiltons Schaffen aus den vergangenen fünfzehn Jahren umfassend
und äußerst zeitnah dokumentiert. In einem Begleitfilm erläutert Richard Hamilton
seine Werke. Zu beiden Werkgruppen erscheinen in der Edition Hansjörg Mayer
Einzelkataloge im Schuber in deutscher oder englischer Sprache.
Die
Ausstellung Richard Hamilton »Virtuelle Räume« ist bis zum 10. August 2008 zu
besichtigen. Die Kunsthalle ist täglich von 11.00 18.00 Uhr geöffnet.
Mittwochs von 11.00 21.00 Uhr, samstags von 10.00 18.00 Uhr (montags
geschlossen). Weitere Infos finden Sie hier.