Die Einführung der Studiengebühren an der Universität
Bielefeld sorgte ja für heftige Proteste (WebWecker berichtete). Nach einer
einmonatigen Besetzung des Rektorats im Februar gab es im Sommer mehrere
Brandstiftungen, auch das Auto von Rektor Dieter Timmermann ging in Flammen
auf. Die Staatsschutzabteilung der Polizei vermutet auch hinter den Brandanschlägen Gebührengegner.
Zwei von ihnen wurden daraufhin erkennungsdienstlich behandelt, zwei
Hausdurchsuchungen folgten. Mario A. Sarcletti hat sich zum
Abschluss dieses für die Uni äußerst turbulenten Jahres mit den zwei Studenten
unterhalten, die Opfer einer Hausdurchsuchung wurden.
WebWecker: Karl, habt ihr eine Ahnung, warum gerade bei euch
eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat?
Karl G.: Hm, ich hab dafür keine genaue Erklärung. Ich denke aber, dass
es daran liegt, dass wir dafür bekannt sind, dass wir uns politisch in der Hochschule
aktiv beteiligen.
Thomas, bei dir gab es erst die erkennungsdienstliche
Behandlung, jetzt die Hausdurchsuchung. Glaubst du, dass es einen Zusammenhang
zwischen den beiden Aktionen gab?
Thomas S.: Die Hausdurchsuchung ist natürlich eine weitere Steigerung
der Repression. Nur so kann ich mir erklären, dass die auch noch stattfand.
Nun gab es bei dir, Karl, ja die offizielle Begründung der
Hausdurchsuchung, dass man den Generalschlüssel der Uni suchte. Haben die
Beamten nach deinem Eindruck wirklich nach dem Schlüssel gesucht oder ging es
da um etwas anderes?
Karl G.: In dem Durchsuchungsbefehl stand ja auch, dass sie auch nach
e-mails und so auf meinem Computer schauen wollten, das haben sie sicherlich
auch getan. Es gab einige Tage später, als eine Reaktion auf eine
Pressemitteilung des AStA in der Zeitung eine Stellungnahme des Staatsschutzes,
wo gesagt wurde, dass es eigentlich gar nicht darum ging den Schlüssel zu
finden, dass gar nicht erwartet wurde, den Schlüssel zu finden.
Du warst ja zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung im Ausland.
Hast du davon überhaupt etwas mitgekriegt?
Karl G.: Ich hab über e-mails davon erfahren.
Was war deine Reaktion im fernen Südamerika?
Karl G.: Erst einmal war ich wütend, dass mich das, obwohl ich so fern
bin, erreicht, was da zu Hause passiert. Und dann war ich extrem verwundert
darüber.
Inzwischen hast du deinen Rechner ja wiederbekommen. Weißt du,
was mit dem passiert ist?
Karl G.: Die werden auf meiner Festplatte und in den Mails vor allem
nach Namen gesucht haben, ob ich zum Beispiel etwas über Timmermann geschrieben
habe oder über andere politisch aktive Leute. Und dann haben sie wohl geschaut,
mit wem ich so zu tun habe, um eine Gruppe zu konstruieren. Das ist dann ja
auch deutlich geworden bei Thomas, der als Führer einer Studentenschaft oder
als Kern einer Führerschaft der Studierenden hochstilisiert wurde.
Du bist also ein Rädelsführer, Thomas. Deine Wohnung und auch
die deiner Eltern wurden aber erst im November, also relativ spät durchsucht.
Kannst du dir das erklären, warum damit so lange gewartete wurde?
Thomas S.: Ich war ja auch längere Zeit im Ausland. Und nachdem ich
zurückgekommen bin, hatte ich erst mal keinen Wohnsitz. Ich bin deshalb bei
meinen Eltern gemeldet. Die Hausdurchsuchung hat aber nicht nur da
stattgefunden, sondern auch zeitgleich bei der Bekannten, bei der ich hier zur
Zeit untergekommen bin.
Und dann wurde deren Zimmer durchsucht oder wie war
das?
Thomas S.: Die Beamten waren sehr freundlich, wie das wohl immer so
ist, damit man sich mit denen auch unterhält. Sie haben gefragt, welche Sachen
von meiner Bekannten sind und welche von mir. Praktischerweise waren meine
Sachen noch in Säcke und Kisten verpackt. Die haben sie dann angefangen
auseinander zu nehmen, die Kisten zumindest. Die Säcke mit der Wäsche waren verschlossen. Von daher kann man auch
nicht sagen, dass sie bei mir unbedingt nach einem Schlüssel gesucht haben. Man
muss dazu sagen, dass bei mir mittlerweile nicht nur nach dem Schlüssel gesucht
wurde, mir wurde ja auch Brandstiftung vorgeworfen. Aber auch bei mir war die
Durchsuchung eher darauf ausgerichtet Speichermedien mitzunehmen.
Wurde neben denen noch irgendwas mitgenommen?
Thomas S.: Sie haben nur meinen kaputten Rechner mitgenommen, in dem
noch nicht einmal eine Festplatte drin ist, die haben sie zusätzlich
mitgenommen, weil die herumlag. Außerdem einen Laptop, CDs und einen USB-Stick.
Haben dir die Beamten die Gründe für die Hausdurchsuchung
mitgeteilt, beziehungsweise was stand in dem Hausdurchsuchungsbefehl?
Thomas S.: In dem stand, dass mir Diebstahl, also wegen des Schlüssels,
und Brandstiftung vorgeworfen wird. Die Begründung war eben, dass ich einer der
führenden Köpfe einer studentischen Bewegung sei, die sich gegen
Studiengebühren verschrieben hat und dass ich während der Anschlagsserie in der
Uni zu später Stunde dort gewesen bin. Das lässt sich aber so erklären, dass
ich einen Schlüssel zur Fachschaft Philosophie habe und auch dort war.
Diese Studierendenbewegung gegen Studiengebühren ist ja auch
aus der Rektoratsbesetzung hervorgegangen. Da gab es ja eigentlich keine
führenden Köpfe, es war ja alles eher basisdemokratisch aufgebaut,
oder?
Thomas S.: Ja, mehr oder weniger. Da gab es aber natürlich zum Beispiel
schon auch Leute, die die Pressearbeit gemacht haben. Eine der Personen war
auch eine von denjenigen, die auch erkennungsdienstlich behandelt wurde.
Wer sich also zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, hat dann
Besuch von der Polizei gekriegt. Heißt das für euch jetzt, dass ihr euer
Verhalten jetzt ändert, dass ihr vorsichtiger geworden seid? Hat sich also für
euch in eurem Leben durch diese polizeilichen Maßnahmen etwas geändert?
Karl G.: Ich denke nicht. Ich habe schon vorher Interviews gegeben und
das war wohl auch der Grund, warum die Durchsuchung bei mir gemacht wurde. Ich
werde mein Verhalten nicht ändern, wie man auch an diesem Interview sieht.
Thomas S.: Ich werde auch auf keinen Fall mein Verhalten ändern, im
Gegenteil, ich werde mehr in die Offensive gehen