Webwecker Bielefeld: LEG-Wohnungen stehen vor Verkauf (22.11.2006)

LEG-Wohnungen stehen vor Verkauf (22.11.2006)



Von Manfred Horn

Die Pressemitteilung klingt etwas mysteriös, zeigt aber, dass private Immobiliengesellschaften durchaus Interesse haben: In der vergangenen Woche kaufte die Deutsche REIT AG über eine Tochtergesellschaft insgesamt 460 Wohnungen »bei Bielefeld«. Der Kaufpreis soll bei zehn Millionen Euro gelegen haben, 277 Euro pro Quadratmeter. Die Fläche, insgesamt 65.000 Quadratmeter, weise nach Ansicht des Unternehmens »deutliche Potenziale« auf. Hauptaktionär des Unternehmens ist die DRB Beteiligung, eine der üblichen Investorengruppen, die schauen, wo sich Rendite machen lässt.

In Bielefeld ist bisher der Verkauf von günstigem Wohnraum in großem Stil an Investitionsgesellschaften verhindert worden. Das bundesweit bekannteste Beispiel ist der Verkauf des städtischen Bestands in Dresden an eine us-amerikanische Investorengruppe. 48.000 Wohnungen wechselten vor wenigen Monaten den Eigentümer und gehören nun Fortress, die dafür 1,7 Milliarden Euro hinblätterten. Die Stadt ist nun schuldenfrei.


4.000 LEG Wohnungen sind schon verkauft

Davon hat die CDU-geführte Landesregierung in Düsseldorf gehört. Sie schrieb sich den Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) bereits im Juni 2005 in den Koalitionsvertrag und verkaufte bereits Ende 2005 gut 4.000 LEG-Wohnungen an eben jenen Finanzinvestor Fortress. Der Zeitpunkt war günstig, hatte die LEG doch in der Öffentlichkeit eine Menge Kredit durch finanzielle Unregelmäßigkeiten an der Konzernspitze verspielt. Der Korruptionsverdacht sorgte unter anderem dafür, dass noch unter der alten rot-grünen Regierung zweimal die Geschäftsführung ausgetauscht wurde.

Der Investor Fortress darf, unter dem Namen ›Gagfah-Holding‹, inzwischen über 150.000 Wohnungen sein eigen nennen. Geht es nach der CDU-FDP-Landesregierung, können es bald auf einen Schlag rund 100.000 mehr sein. Denn so viele Wohnungen gehören der landeseigenen LEG. 300.000 Mieter wären betroffen. Dabei hat die LEG im vergangenen Jahr durchaus gut 20 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet und für über eine Viertel Milliarde Euro Bauaufträge an das Handwerk in NRW vergeben.

Immobiliengesellschaften gehen an die Börse

Die Landesregierung aber setzt auf einen warmen Geldsegen. Nimmt man den Verkaufspreis von Dresden als Maßstab, könnten vier Milliarden Euro drin sein. Allerdings ist die LEG stark mit Krediten belastet und das Land nicht alleiniger Eigentümer, so dass unter dem Strich nur rund eine Milliarde Euro in die Landeskasse fließen könnten. Mieterinteressen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Fortress hat gerade 20 Prozent der Gagfah an die Börse gebracht. Das Ziel der Gesellschaft ist klar: Gewinne erwirtschaften. Denn nur kräftiges Plus überzeugt die Aktionäre. Dies geht nur, wenn die Mieten erhöht und gleichzeitig die Kosten gedrückt werden. Weniger Personal, weniger Instandsetzung und jährlich steigende Mieten sind die Folge. Zugleich zahlen diese Investitionsgesellschaften jahrelang keine Steuern, da sie den Kauf mit Krediten finanzieren, die sie dann mit den Mieteinnahmen verrechnen können.

Die Landesregierung will auch die Kündigungssperrfrist abschaffen. Diese ermöglicht derzeit in vielen NRW-Gemeinden, den Ausschluss einer Eigenbedarfs-Kündigung nach einer Umwandlung in Wohneigentum. Die Frist liegt bei acht oder sechs Jahren und wurde 2004 festgelegt. Der bundesgesetzliche Mindeststandard sind drei Jahre. Und auf den will die Landesregierung das Recht der Mieter nun zurückführen.

Verkauft die Landesregierung, zieht sie sich aus der aktiven sozialen Wohnungspolitik zurück und überlässt die Mieter dem Markt. In Bielefeld wären davon rund 1000 Wohnungen, also rund 3.000 Mieter betroffen. Die meisten von ihnen sind auf günstigen Mietraum angewiesen. Die grüne Ratsfraktion in Bielefeld protestiert. Sie fordert die Bielefelder Landtagsabgeordneten auf, im Landtag nicht zuzustimmen. Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rees: »Der Verkauf der LEG-Wohnungen an einen In­vestor ist sozialpolitisch katastrophal und stellt auch für die Städte ein großes Problem dar. Wohnungen sind keine Ware, sondern sie bedeuten auch eine Verpflichtung des Eigentümers für seine Mieter«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rees. Ein Verkauf an einen Finanzinvestor hätte für ihn unabsehbare Folgen. »Wer, wie die Landesregierung, Wohnungen im großen Stil veräußern und gleichzeitig den Mieterschutz durch Absenkung der Kündigungssperrfrist will, verhält sich schlicht unsozial«.


Kommunale Gesellschaften kommen nicht zum Zuge

Die Landesregierung ist bisher auch nicht bereit, über Angebote kommunaler Wohnungsgesellschaften nachzudenken. So fragte die Bielefelder Wohnungsbaugesellschaft (BGW) beim Land nach, ob kleinere Bestände erwerbbar seien. Laut Auskunft des BGW-Geschäftsführers Norbert Müller, wurde ein entsprechendes Angebot vom Herbst 2005 noch nicht einmal beantwortet.


Volksinitiative sammelt Unterschriften

Eine Volksinitiative »Sichere Wohnungen und Arbeitsplätze« gegen den LEG-Verkauf versucht jetzt noch, die Landesregierung von ihrem Vorhaben abzubringen. Getragen wird die Initiative vom Mieterbund und ver.di, unterstützt unter anderem von den Grünen, der SPD, Linkspartei und attac. Ein Verkauf an einen Investor hätte auch bundesweite Bedeutung: der letzte große öffentliche Wohnungsbestand würde privatisiert. Danach kämen nur noch kleinere kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Fortress käme in die Nähe einer Monopolstellung und könnte die Wohnungsmärkte stark beeinflussen. Dies reicht hin bis zum erzeugen von Spekulationsblasen, um die Preise nach oben zu treiben. Mit sozialem Wohnen hat all das allerdings nichts mehr zu tun.

 

Unterschriftenlisten der Volksinitiative liegen im Büro der Ratsfraktion und des Kreisverbandes der Grünen aus. Mehr Informationen und Unterschriftenlisten im Netz: www.volksinitiative-leg.de