Webwecker Bielefeld: Zukunft Gewalt? (25.10.2006)

Zukunft Gewalt? (25.10.2006)



Mit Volldampf: Südafrikanische Schüler, die zu Kwaito tanzen.


»Zukunft Gewalt? Perspektiven Jugendlicher in Südafrika« ist der Titel der Ausstellung, die gestern im Ausstellungsraum im Nebengebäude des Welthauses eröffnet wurde. »Das Fragezeichen im Titel ist mir dabei sehr wichtig«, erklärte gleich zu Beginn der Eröffnung eine der Initiatorinnen der Ausstellung, Dani Fries. Die Schau bietet Jugendlichen in Deutschland einen Einblick in das Leben junger Menschen am Kap.


Von Mario A. Sarcletti

Die Ausstellung passt in das Lernkonzept des Welthauses. »Sie bietet die Möglichkeit ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln«, erläuterte Fries. So könnten sich die Jugendlichen mit dem »unverdienten Privileg ihres Geburtsortes« auseinandersetzen, Gründe für die Gewalt in Südafrika erkennen lernen. Aber auch die eigene Haltung zur Gewalt soll erkundet, der Unterschied von struktureller und individueller Gewalt erfahren werden. Zu ersterer Form ist die nach wie vor vorhandene himmelschreiende Ungleichheit am Kap zu zählen, die in der Ausstellung auch durch die ungleichen Bildungschancen repräsentiert wird. Die Zahl von 4,3 Millionen Schwarzen unter zwanzig Jahren, die 2001 ohne Schulabschluss waren, dürfte ostwestfälischen Schülern zu denken geben.

Diese Denkanstöße gibt es in der Ausstellung in unterschiedlichen Formen. »Wir wollen mit möglichst vielen unterschiedlichen Zugängen das Lernen ermöglichen«, beschreibt Dani Fries das Konzept. Einer der Zugänge kann die Literatur der Regenbogennation sein. Denn die »bietet ein hervorragendes Abbild eines Landes im Umbruch«, wie der Publizist Manfred Lomeier in einem Vortrag erläuterte. Er hat einen Band mit neueren Erzählungen vom Kap herausgegeben, dem zwei der Texte entnommen sind, die sich die Besucher bei Hörstationen anhören können. Daneben finden sich Gedichte, die sich mit der Lebenswelt im heutigen Südafrika auseinandersetzen. In denen ist auch immer wieder die Wut auf die neuen Eliten am Kap der Guten Hoffnung zu spüren.

Ein Thema, das diese Wut in Südafrika immer wieder hochkochen lässt, ist das Thema HIV/AIDS. Denn einerseits fordert die Immunschwäche-Krankheit unzählige Opfer, vor allem auch unter jungen Menschen, auch viele Frauen sind – oft nach VerGewaltigungen – erkrankt. So schätzt Zackie Achmat, Vorsitzender der Treatment Action Campaign, dass 2005 über 330.000 Südafrikaner an AIDS starben. »Es gibt keinen Konflikt auf der Erde, der mehr Menschen kostet, als HIV/AIDS in Südafrika«, wird er in der Ausstellung zitiert. Die Wut vieler Südafrikaner richtet sich aber nicht nur dagegen, dass die Internationale Gemeinschaft dabei zusieht und so mancher Pharmakonzern Profite über Menschenleben stellt.

Die Wut bezieht sich vor allem darauf, dass Teile der Neuen Elite das Problem leugnen. Auch Präsident Mbeki bezweifelt, dass das Virus die Krankheit auslöst. Den Vogel an Ignoranz schießt aber ausgerechnet die Gesundheitsministerin des Landes ab. So eröffnete sie bei der diesjährigen Welt-Aids-Konferenz in Toronto den Stand Südafrikas, laut der südafrikanischen Wochenzeitung Mail & Guardian waren dort Knoblauch, Zitrone und Olivenöl ausgestellt.  Nach »Manto«, wie die Ministerin respektlos im Lande nach ihrem Vornamen tituliert wird, Mittel gegen die in Afrika meist tödliche Immunschwäche-Krankheit. Vielleicht gilt für sie auch ein Satz von Lesego Rampolokengs. »Die Unsittlichkeit der Apartheid hat unser Sein geprägt«, schreibt der Autor in einem seiner Gedichte.

Neben der Literatur und Fotos bieten der jugendlichen Zielgruppe auch Medien einen Zugang zum Thema, die ihnen wahrscheinlich noch näher liegen. In einem Verschlag, ähnlich denen,  die auf Fotos aus Townships zu sehen sind, können sie einen Ausschnitt aus der beliebtesten südafrikanischen Fernsehserie »Yizo, Yizo« anschauen. Die Serie spielt in einem Township von Johannesburg, wie im richtigen Leben ist auch im Fernsehen der Alltag der Jugendlichen von Gewalt geprägt. Die Serie ist am Kap deshalb nicht unumstritten.

Und schließlich können die jungen Besucher der Ausstellung auch erleben, dass Leben und  Interessen ihrer Altersgenossen am Kap manchmal gar nicht so anders sind, als ihre eigenen. Denn in einer Ecke ist eine Kwaito-Disco aufgebaut, in der neben Musik auch eine Dokumentation von ARTE über diesen Musikstil läuft. Kwaito ist eine Mischung aus traditionellen Klängen und HipHop und so etwas wie das Sprachrohr der Jugendlichen. Mit welcher Power die Musik südafrikanische Jugendlichen erfüllen kann, zeigte eine kurze Performance. Denn zufällig weilte heute eine Schülergruppe vom Kap in Bielefeld und zeigte den Besuchern der Ausstellungseröffnung, dass in Südafrika nicht nur Gewalt blüht, sondern auch Lebensfreude.

 

»Zukunft Gewalt? Perspektiven Jugendlicher in Südafrika« ist noch bis zum 1. Dezember zu sehen. Für Schülergruppen ab Klasse 9 bietet das Welthaus die Begleitung durch eine Mitarbeiterin an, außerdem gibt es eine Handreichung für die Nachbereitung. Anmeldung unter 98648-0. Einzelbesucher können die Ausstellung dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr besuchen. Weitere Informationen unter www.welthaus.de

Die Gesundheitsministerin empfiehlt: Rote Beete, Olivenöl, Zitrone, Knoblauch. Von der Decke hängen Paper-Prayers