»Zukunft Gewalt? Perspektiven Jugendlicher in Südafrika« ist der Titel
der Ausstellung, die gestern im Ausstellungsraum im Nebengebäude des Welthauses
eröffnet wurde. »Das Fragezeichen im Titel ist mir dabei sehr wichtig«,
erklärte gleich zu Beginn der Eröffnung eine der Initiatorinnen der
Ausstellung, Dani Fries. Die Schau bietet Jugendlichen in Deutschland einen
Einblick in das Leben junger Menschen am Kap.
Von Mario A.
Sarcletti
Die Ausstellung passt in das Lernkonzept des Welthauses. »Sie bietet
die Möglichkeit ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln«, erläuterte Fries. So
könnten sich die Jugendlichen mit dem »unverdienten Privileg ihres
Geburtsortes« auseinandersetzen, Gründe für die Gewalt in Südafrika erkennen
lernen. Aber auch die eigene Haltung zur Gewalt soll erkundet, der Unterschied
von struktureller und individueller Gewalt erfahren werden. Zu ersterer Form
ist die nach wie vor vorhandene himmelschreiende Ungleichheit am Kap zu zählen,
die in der Ausstellung auch durch die ungleichen Bildungschancen repräsentiert
wird. Die Zahl von 4,3 Millionen Schwarzen unter zwanzig Jahren, die 2001 ohne
Schulabschluss waren, dürfte ostwestfälischen Schülern zu denken geben.
Diese Denkanstöße gibt es in der Ausstellung in unterschiedlichen
Formen. »Wir wollen mit möglichst vielen unterschiedlichen Zugängen das Lernen
ermöglichen«, beschreibt Dani Fries das Konzept. Einer der Zugänge kann die
Literatur der Regenbogennation sein. Denn die »bietet ein hervorragendes Abbild
eines Landes im Umbruch«, wie der Publizist Manfred Lomeier in einem Vortrag
erläuterte. Er hat einen Band mit neueren Erzählungen vom Kap herausgegeben,
dem zwei der Texte entnommen sind, die sich die Besucher bei Hörstationen
anhören können. Daneben finden sich Gedichte, die sich mit der Lebenswelt im
heutigen Südafrika auseinandersetzen. In denen ist auch immer wieder die Wut
auf die neuen Eliten am Kap der Guten Hoffnung zu spüren.
Ein Thema, das diese Wut in Südafrika immer wieder hochkochen lässt,
ist das Thema HIV/AIDS. Denn einerseits fordert die Immunschwäche-Krankheit
unzählige Opfer, vor allem auch unter jungen Menschen, auch viele Frauen sind
oft nach VerGewaltigungen erkrankt. So schätzt Zackie Achmat, Vorsitzender
der Treatment Action Campaign, dass 2005 über 330.000 Südafrikaner an AIDS
starben. »Es gibt keinen Konflikt auf der Erde, der mehr Menschen kostet, als
HIV/AIDS in Südafrika«, wird er in der Ausstellung zitiert. Die Wut vieler
Südafrikaner richtet sich aber nicht nur dagegen, dass die Internationale
Gemeinschaft dabei zusieht und so mancher Pharmakonzern Profite über
Menschenleben stellt.
Die Wut bezieht sich vor allem darauf, dass Teile der Neuen Elite das
Problem leugnen. Auch Präsident Mbeki bezweifelt, dass das Virus die Krankheit
auslöst. Den Vogel an Ignoranz schießt aber ausgerechnet die
Gesundheitsministerin des Landes ab. So eröffnete sie bei der diesjährigen
Welt-Aids-Konferenz in Toronto den Stand Südafrikas, laut der südafrikanischen
Wochenzeitung Mail & Guardian waren dort Knoblauch, Zitrone und Olivenöl
ausgestellt. Nach »Manto«, wie die
Ministerin respektlos im Lande nach ihrem Vornamen tituliert wird, Mittel gegen
die in Afrika meist tödliche Immunschwäche-Krankheit. Vielleicht gilt für sie
auch ein Satz von Lesego Rampolokengs. »Die Unsittlichkeit der Apartheid hat unser
Sein geprägt«, schreibt der Autor in einem seiner Gedichte.
Neben der Literatur und Fotos bieten der jugendlichen Zielgruppe auch
Medien einen Zugang zum Thema, die ihnen wahrscheinlich noch näher liegen. In
einem Verschlag, ähnlich denen, die auf
Fotos aus Townships zu sehen sind, können sie einen Ausschnitt aus der
beliebtesten südafrikanischen Fernsehserie »Yizo, Yizo« anschauen. Die Serie
spielt in einem Township von Johannesburg, wie im richtigen Leben ist auch im
Fernsehen der Alltag der Jugendlichen von Gewalt geprägt. Die Serie ist am Kap
deshalb nicht unumstritten.
Und schließlich können die jungen Besucher der Ausstellung auch
erleben, dass Leben und Interessen
ihrer Altersgenossen am Kap manchmal gar nicht so anders sind, als ihre
eigenen. Denn in einer Ecke ist eine Kwaito-Disco aufgebaut, in der neben Musik
auch eine Dokumentation von ARTE über diesen Musikstil läuft. Kwaito ist eine
Mischung aus traditionellen Klängen und HipHop und so etwas wie das Sprachrohr
der Jugendlichen. Mit welcher Power die Musik südafrikanische Jugendlichen
erfüllen kann, zeigte eine kurze Performance. Denn zufällig weilte heute eine
Schülergruppe vom Kap in Bielefeld und zeigte den Besuchern der
Ausstellungseröffnung, dass in Südafrika nicht nur Gewalt blüht, sondern auch
Lebensfreude.
»Zukunft Gewalt? Perspektiven Jugendlicher in Südafrika« ist
noch bis zum 1. Dezember zu sehen. Für Schülergruppen ab Klasse 9 bietet das
Welthaus die Begleitung durch eine Mitarbeiterin an, außerdem gibt es eine
Handreichung für die Nachbereitung. Anmeldung unter 98648-0. Einzelbesucher
können die Ausstellung dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr besuchen. Weitere Informationen unter www.welthaus.de