Von Manfred Horn
Die
Bielefelder Grünen sprechen treffend von einem »Seitenwechsel« und schreiben im
Stil einer Traueranzeige: »Er wird uns fehlen«. Michael Vesper, seit 1990 im
NRW-Landtag und noch stellvertretender Landtagspräsident, zieht sich aus der
Politik auf Landesebene zurück. Er war der prominenteste Grüne des Bielefelder
Kreisverbandes. In der eben erschienen Zeitschrift der Bielefelder Grünen,
big, schreibt Vesper noch: »Auch sonst gibt es in Düsseldorf in den kommenden
Wochen wenig zu feiern, dafür aber umso mehr zu tun«. Das wird Vesper nun nicht
mehr erleben, wird er doch ab 1. Oktober Generaldirektor des neu gegründeten
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Voll
im Trend
Vesper
liegt damit im Trend der ehemaligen rot-grünen Koalition in NRW. Die scheint
die nächsten Wahlen in knapp vier Jahren bereits heute abgeschrieben zu haben,
gemessen an den »Seitenwechseln«. Denn erst kürzlich ist der Herforder
Landtagsabgeordnete Axel Horstmann zur »Energie Baden-Württemberg AG« (EnBW)
gewechselt, einem der größten Stromanbieter der Republik. Der SPD-Politiker war
in der vergangenen rot-grünen Koaliton in Düsseldorf Minister für Verkehr,
Energie und Landesplanung, hatte also schon da mit der EnBW zu tun. Die will in
NRW wachsen und setzt nun auf das Netzwerk des Herforders. Horstmann will sein
Mandat als Landtagsabgeordneter noch »begrenzt« weiter ausüben, sein Job bei
EnBW hat er in diesem Monat bereits angetreten.
Auch
Vesper hat sich nun einen Arbeitgeber gesucht, mit dem er bereits in seiner
Zeit als Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zu tun hatte. Als
Sportminister versuchte er etwa Olympia 2012 ein Rhein und Ruhr zu holen,
scheitere allerdings frühzeitig. Der neue Arbeitgeber DOSB ist noch jung: Im
Mai 2006 ist er aus der Fusion des Deutschen Sportbundes (DSB) und des
Nationalen Olympischen Komitees (NOK) hervorgegangen. Die beiden Verbände
schlossen sich zusammen und bilden nun das »Dach des deutschen Sports«. Vesper
bekommt den Job aus den gleichen Gründen wie Horstmann bei der EnBW. »Er
genießt großes Ansehen im Sport und wird mit seinem politischen Netzwerk dem
DOSB gut tun«, sagte DOSB- Präsident Thomas Bach zur Berufung Vespers. Der
ehemalige stellvertretende Ministerpräsident tritt sein Amt am 1. Oktober an.
Vesper gilt als »Realo-Grüner«. Er studierte in Bielefeld an der Universität
Soziologie und promovierte dort auch.
Eine
Rückkehr in die Politik ist jedoch nicht völlig ausgeschlossen: Horstmann etwa
war von 1995 bis 1998 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und trat
dann wegen der Proteste gegen die Ansiedlung einer forensischen Klinik in
Herten zurück. 2002 holte ihn Peer Steinbrück ins Kabinett zurück. Auch Vesper
könnte zu gegebener Zeit wieder auf der politischen Bühne auftauchen. Sein
Vertrag beim DOSB gilt zunächst für fünf Jahre.
Im
Moment jedoch besetzt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erfolgreich
sozialdemokratische Themenfelder und steht hoch in der Gunst des Wahlvolkes. In
jüngster Zeit forderte er seine eigene Partei mehrfach auf, sich von zentralen
»Lebenslügen« zu verabschieden: Seiner Ansicht nach ist es falsch zu glauben,
dass Steuersenkungen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen
führen. Die Landessozialdemokratie hingegen scheint sich bis heute nicht von
der Wahlniederlage im Mai 2005 erholt zu haben. Eine rot-grüne Koalition auf
Landesebene ist damit zunächst in weite Ferne gerückt. Wenn, dann wird Vesper
wohl Minister in der ersten schwarz-grünen Landesregierung.