Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek zeigt Kunstgegenstände vom Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Vor allem ein Künstler der »Debschitz-Schule« zieht dabei wegen seiner Verstrickung in den Kolonialismus Kritik auf sich. Der Macher der Ausstellung will jetzt nachbessern.Von Mario A. SarclettiAnfang des 20. Jahrhunderts gab es in München eine Kunstschule, die einiges im Kunstbetrieb bewegen wollte, die nach einem ihrer Gründer benannten Debschitz-Schule. Walter Kambartel, Kunsthistoriker an der Universität Bielefeld widmet ihr jetzt eine Ausstellung in der Uni-Bibliothek. Er beschreibt das Besondere an der Münchner Schule: »Die Debschitz-Schule ist im Grunde eine reformorientierte Kunstschule, die den Versuch macht angewandte und freie Kunst miteinander zu verknüpfen. Das konkretisiert sich da auch in Werkstätten. Da wurde Kunst in Beziehung zur Praxis gesetzt«, erklärt Kambartel das Wesen der Debschitzschule.
Ein Zeichen für diesen Praxisbezug war, dass der Schule auch Werkstätten angeschlossen waren. Fast revolutionär war, dass die Keramikwerkstatt von einer Frau geleitet wurde. An den meisten Kunstakakdemien waren Frauen gar nicht zugelassen, an Kunstgewerbeschulen höchstens in eigenen Klassen. »Das war zu der Zeit eigentlich neu, dass Frauen sich im Bereich der angewandten Kunst ausbilden lassen konnten«, betont Walter Kambartel. Und das gemeinsam mit Männern. Nicht zufällig entstanden deshalb auch Ehen an der Debschitz-Schule, vier dieser Künstlerehepaare widmet sich die Ausstellung.
Die Kunsthistorikern Irene Below vom Oberstufenkolleg findet die auch wegen dieses besonderen Geschlechterverhältnisses interessant. Allerdings hätte sie nicht unbedingt die klassische Mann-Frau-Beziehung, nämlich die Ehe, thematisiert. »In diesem Münchner Zirkel, an dem auch Rilke beteiligt war, wurde viel über Geschlechterverhältnisse debattiert und es spielten auch lesbische und schwule Gemeinschaften eine Rolle«, plädiert sie für eine radikalere Herangehensweise, als sie ihr Kollege Kambartel wählte.
Dennoch findet sie die Ausstellung sehenswert: »Ich find die sehr interessant, weil da ja die Vorgeschichte vom Weimarer und Dessauer Bauhaus aufgerollt und die Debschitz-Schule vorgestellt wird, die ist ja weitgehend unbekannt«, so die Kunsthistorikerin. Auch ästhetisch kann sie der Ausstellung etwas abgewinnen: »Interessant finde ich auch, dass hier eine im Grundtenor konservative Kunst zu sehen gegeben wird, die man ja sonst selten sieht. Also figürliche, relativ naturnahe Darstellungsweisen, die aus dem Jugendstil entwickelt sind«, erklärt Irene Below.
Obwohl sie die Ausstellung also durchaus für zeigenswert hält, äußert sie Kritik an ihr: »Am Schwierigsten finde ich, dass da die Kontextualisierung fehlt, dass schon bei den Biographien der Ausgestellten immer ihre Zeit im Nationalsozialismus weitgehend ausgespart wird«, bemängelt Below. Das gelte etwa für den Professor an der Bielefelder Kunstgewerbeschule Arnold Rickert. »Der wurde 1933 von den Nationalsozialisten zum Leiter der Kunsthalle ernannt, nachdem der damalige Leiter rausgeschmissen wurde«, weiß die Kunsthistorikerin. Auch ein weiterer der ausgestellten Künstler hatte Verbindungen zum Nationalsozialismus. »Es gilt auch für den Bildhauer Wilhelm Krieger, der das Parteiabzeichen, also den Adler, auf der großen Deutschen Kunstausstellung 1937 ausgestellt hat«, erklärt Below.