Jekaterina Jakowlewna Peresseljak
Gebiet Brest Weißrussland 18.12.2001
Guten Tag, Arbeiter der Stadt Bielefeld,
vielen Dank, daß Sie uns nach einem halben Jahrhundert nicht vergessen haben. Danke schön.
Am 21. September 1942 wurden wir in ein Getto zusammengetrieben. Es war ein großer Viehstall, umgeben mit Stacheldraht und von Polizei bewacht. Dort waren wir ein paar Tage. Und dann trieb man uns nach Garin. Man setzte uns in Güterwaggons und fuhr uns nach Deutschland. Ich habe schon vergessen, in welcher Stadt wir ankamen. Man befahl uns, sich in Reihen aufzustellen: Verheiratete und Ledige voneinander getrennt. Wir, Ledige, wurden nach Bielefeld zu den Dürkopp-Werken 5 gebracht. Mein Mädchenname war Peresseljak. Ich mußte an einer Drehbank arbeiten, da arbeitete auch eine deutsche Frau, sie brachte mir die Arbeit daran bei. Ich war zu klein, so stellte man mir einen Kasten hin. Nach der Arbeit wurden wir versammelt, ein Deutscher sprach zu uns und die Dolmetscherin übersetzte: Wenn ihr gut arbeitet, dann wird es euch gut gehen. Wenn ihr nicht arbeitet, dann schicken wir euch ins KZ und dort werdet ihr umgebracht. Wir wurden außerhalb der Stadt in einem Getto- Lager untergebracht. Einmal am Tag bekamen wir zu essen. Morgens gehst du zur Arbeit und hast einen Liter Suppe, und am nächsten Tag auch so.
Man kann sagen, daß man uns bei der Arbeit nicht schlecht behandelte. Wenn wir aber nach der Arbeit nach Hause gingen, dann schrien die deutschen Frauen: Schweine oder bespuckten uns.
Nach der Arbeit schrieb einer einen Brief nach Hause und ein anderer ging zur katholischen Kirche; der eine weinte und der andere sang. Wenn ein Mensch Hunger hat, dann kann er an nichts anderes denken als nur an das Essen.
An den Ostertagen 1945 befreiten uns die Amerikaner. Am 17. September war ich schon zu Hause. Die Deutschen hatten unser Haus niedergebrannt, wir hatten gar nichts. Die Sowjets hatten damals die Macht, es war ein schweres Leben: kein Platz zum Wohnen und zu essen gab es auch nichts. Wieder der Hunger...
Wir lebten uns ein wenig ein. 1948 heiratete ich einen Witwer, er hatte einen Sohn aus erster Ehe. Ich habe 5 Kinder geboren, Gott sei gelobt, sie leben alle. Eine Tochter hat ihr Mathematikstudium abgeschlossen, die anderen zwei Töchter sind Ingenieurinnen, der ältere Sohn ist beim Militär, der jüngere arbeitet im Bauwesen. Ich wohne alleine mit meinem Mann. Das Leben ist schwer. Nach der Tschernobyl-Katastrophe sterben bei uns viele Menschen. In unserem Gemüsegarten pflanzen wir alles an und das essen wir, was bleibt uns sonst...?
Auf Wiedersehen! Ich danke Ihnen. Gebe Gott, dass Sie das nicht erleben müssen, was ich erlebt habe. Danke. Danke!!! !!!